Geldanlage-Boom: Der Tanz ums knappe Gold

Geldanlage-Boom: Der Tanz ums knappe Gold
Hätte die Bundesregierung vor einem Jahr ihre Einnahmen in Gold investiert, hätte sie 2011 auf neue Schulden leicht verzichten können. Immerhin hat der Goldpreis seit September um 50 Prozent zugelegt. Die Nachfrage nach dem edlen Metall steigt weiter an.
19.08.2011
Von Hermannus Pfeiffer

Der Staat solle doch bitteschön seine Steuerannahmen in Gold anlegen. Dies empfahl einer dieser Zuhörer, die Alles besser wissen, vor einem Jahr einem prominenten Referenten in der hamburgischen Handelskammer. Der in der Banken- und Finanzkrise gereifte Bundesfinanzminister a.D. Peer Steinbrück konterte mit dem Hinweis, der Staat sei doch kein Zocker. Dem kann man zustimmen, doch ganz Unrecht hatte der Besserwisser doch nicht: Hätte die Bundesregierung vor einem Jahr ihre Einnahmen in Gold investiert, hätte sie 2011 auf neue Schulden leicht verzichten können. Immerhin hat der Goldpreis seit September um 50 Prozent zugelegt. Selbst für Zocker eine außerordentliche Rendite.

"Das ist schon ein wenig verrückt", findet selbst Norman Rudschuck, der als hart gesottener Analyst in der Norddeutschen Landesbank (NORD/LB) arbeitet. Zur Erklärung seiner Sicht erzählt Rudschuck zunächst eine Geschichte: "Nachdem das Rettungspaket für Griechenland beschlossene Sache war, stürzte sich die Welt auf das nächste kriegsentscheidende Ereignis, was sich medial ausschlachten lässt: die Anhebung der US-Schuldenobergrenze gepaart mit Einsparungen und Steuererhöhungen. Die Einigung ging der Ratingagentur S&P offenkundig nicht weit genug. Noch bevor die Tinte getrocknet war, nachdem Obama den Kompromiss unterzeichnet hatte, sahen sich die USA schon einer schlechteren Rating-Note gegenüber. Das signalisierte den Anlegern: 'Flieht in die Qualität', Schweizer Franken, Yen und Gold." In dieser Woche kenne der Goldpreis daher mal wieder nur eine Richtung: Aufwärts!

Als Währung hat Gold ausgedient

Dahinter verbirgt sich ein längerfristiger Trend: Binnen eines Jahres ist der Preis für die Feinunze (31,1 Gramm) von 1.200 auf mehr als 1.800 Dollar gestiegen. Gold wird zwar weltweit im freien Handel zwischen Banken und Investoren und an vielen Börsen gehandelt, aber immer in US-amerikanischen Dollar. Für den Langfristtrend gibt es mehrere Faktoren. Am wichtigsten: Seit vier Jahren haben wir Finanzmarktkrise. "Dazu", sagt Rudschuck, "kommt die noch größere Angst, dass uns die ganze Ökonomie um die Ohren fliegt." Davon gehen er und seine Kollegen allerdings nicht aus.

Früher waren Mark, Pfund oder Dollar mit einer entsprechenden Menge Gold "gedeckt". Der goldige Gegenwert lagerte in Fort Knox und den Tresoren der Notenbanken. Am 15. August 1971 verkündigte US-Präsident Richard Nixon, dass Amerika die Bindung des Dollars an das Gold aufgebe. Damit war das westliche Währungssystem der Nachkriegszeit, das unter dem Namen "Bretton Woods" bekannt wurde, am Ende.

Da Notenbanken nun mehr oder minder beliebig Geld drucken konnten, konnten sie nach und nach ihre alten Goldvorräte versilbern. So waren die Zentralbanken früher immer als Nettoverkäufer aufgetreten, alle Notenbanken verkauften unterm Strich mehr Gold als sie kauften. Angesichts der aktuellen Diskussionen, etwa ob der schwächelnde Dollar globale Leitwährung bleibt, schichten Notenbanken beispielsweise in Russland, China und Mexiko ihre Anlagen seit einigen Jahren wieder um und investieren erneut in Gold. Dabei geht es dann nicht um einige wenige Feinunzen, sondern immer gleich um hunderte Tonnen, und das macht dann sofort Eindruck auf die Finanzmarktjongleure. Die Folge: Die Kurse steigen.

Das edle Metall ist so wertvoll, weil es knapp ist

Doch auch andernorts steigt die Nachfrage nach dem edlen Metall. So wächst in China und Indien der Mittelstand. Dort ist es üblich - wie auch beispielsweise in der Türkei - Gold an Festtagen in der Familie zu verschenken. "Egal wie hoch der Preis ist", meint Rudschuck. Und wenn es in der Vergangenheit 50 Gramm waren, würden heute immer noch 50 Gramm verschenkt - selbst wenn der Preis inzwischen doppelt so hoch ist. "Wer es sich leisten kann, gönnt sich was, und Gold ist traditionell eine Art von Statussymbol." Man sehe das auch an den Verkaufszahlen von BMW oder Daimler in China.

Seinen einmaligen Wert hat Gold jedoch, weil es physisch knapp ist. Nur darum ist es wirtschaftlich so besonders. Das gesamte Goldvorkommen auf der Erde passt in einen Würfel mit einer Kantenlänge von nur zwanzig Metern, rechnet der Hannoveraner Rudschuck vor. Allerdings wird in den Minen heute mehr Gold gefördert als noch vor wenigen Jahren. Früher mussten in einer Tonne Gestein 3 bis 5 Gramm Edelmetall vorkommen, damit sich ein Abbau lohnte. Jetzt macht man alte Bergwerke wieder auf, weil es genügt, wenn 1 Gramm pro Tonne anfällt. "Aber knapp ist Gold allemal."

Wie wird es weitergehen mit dem Goldpreis? Prognosen schwanken zurzeit wie ein Rohr im Wind. Ein Preis von 2.000 Dollar erscheint realistisch. Doch wenn "die Panik verschwunden ist, und die Analysen wieder fundamentaler werden, könnte sehr schnell die Luft aus der Blase raus sein", warnt Bankenanalyst Rudschuck. Gold ist grundsätzlich eine riskante Geldanlage und wäre es auch für den Staat und Herrn Minister Steinbrück. Derweil eilt der Goldpreis von Hoch zu Hoch. 120 Dollar kostete die Feinunze am Freitag mehr als zu Wochenbeginn.


Hermannus Pfeiffer ist freier Wirtschaftsjournalist in Hamburg.