Volk legt mehr Wert auf Ehrlichkeit als Politiker

Volk legt mehr Wert auf Ehrlichkeit als Politiker
Sie sollen Volksvertreter sein. Doch bei den Vorstellungen über Werte und Tugenden klafft zwischen Vertretern und Volk in Deutschland oft eine große Lücke, wie eine Studie offenbart.

Auch wenn es nicht so ganz zum Image passen mag: Für Politiker steht Ehrlichkeit ganz oben auf der Werteskala. 38 Prozent der Parlamentarier nannten diese Tugend bei einer aktuellen Umfrage über gesellschaftliche Werte. Zum Vergleich: Bei der Bevölkerung rangiert Ehrlichkeit ebenfalls an der Spitze. Jedoch bezeichnete mit 60 Prozent ein deutlich größerer Anteil der Bürger Ehrlichkeit als Eigenschaft, die ihnen besonders am Herzen liegt.

Das Kölner Meinungsforschungsinstituts YouGov hatte seit April hunderte Politiker und mehrere tausend Bürger befragt. Die Umfrageergebnisse liegen der Nachrichtenagentur dpa vor.

Treue ist den Politikern unwichtig

Eine Kluft zwischen Volk und Volksvertretern beim Werteverständnis machen auch die zweiten und dritten Plätze deutlich: Bei den Abgeordneten aus Kommunal- und Landesparlamenten sowie dem Bundestag folgen in der Werteliste Gerechtigkeit (28 Prozent) und Solidarität (27 Prozent). Gerechtigkeit taucht bei der offenen Abfrage unter den Deutschen gar nicht auf, Solidarität nannten lediglich 7 Prozent.

In der Bevölkerung gaben hingegen je 22 Prozent Treue und Zuverlässigkeit als bedeutsame Werte an. Treue spielt bei den Politikern den Ergebnissen nach keine Rolle. Immerhin ein Fünftel der Abgeordneten (20 Prozent) findet Zuverlässigkeit wichtig.

Auch Bescheidenheit und Offenheit stehen in der Werteliste der Bevölkerung - nicht aber bei den Parlamentariern. Dafür nennen diese unter anderem Verantwortung, Nachhaltigkeit und Soziales Engagement, die wiederum für die Deutschen belanglos zu sein scheinen.

Weniger Pünktlichkeit, mehr Toleranz

Die sogenannten deutschen Tugenden wie Höflichkeit, Pünktlichkeit und Fleiß haben nach Einschätzung der Abgeordneten in den vergangenen fünf Jahren an Bedeutung verloren. Das wird auch bei der Befragung der Bürger deutlich: Mit lediglich je 5 Prozent liegen Fleiß und Ordnung am unteren Ende der Werte-Skala bei den Befragten. Eine vergleichbar geringe Rolle spielt bei den Politikern Höflichkeit.

Werte wie Toleranz und Gerechtigkeit sind nach Ansicht der Abgeordneten hingegen zuletzt wichtiger geworden - und werden es nach Meinung der Mehrheit auch in den kommenden fünf Jahren. "Die Parlamentarier erwarten einen Modernisierungsschub", erläuterte Professor Joachim Klewes. Er ist Leiter der Stiftung "Change Centre Foundation", die an der Wertestudie 2011 beteiligt war.

Allgemein gehen vier von zehn befragten Politikern allerdings von einem Bedeutungsverlust für Werte in der Gesellschaft aus. Nur knapp ein Drittel (32 Prozent) ist der Meinung, Werte seien wichtiger geworden. Der Anteil jener, die von einem Bedeutungszuwachs ausgehen, ist mit 41 Prozent bei den SPD-Abgeordneten am größten, gefolgt von Union (36 Prozent), Grünen (32 Prozent) und FDP (23 Prozent). Nur 16 Prozent der befragten Linke-Politiker sind dieser der Meinung.

dpa