Aus für Atomkraft: Streit um Entschädigungen beginnt

Aus für Atomkraft: Streit um Entschädigungen beginnt
Von den acht deutschen Kernkraftwerken, die nach der Katastrophe von Fukushima abgeschaltet wurden, wird nach Auslaufen des dreimonatigen Atom-Moratoriums der Bundesregierung wohl keines wieder angefahren. Neben Eon und Vattenfall werden höchstwahrscheinlich auch RWE und EnBW die Meiler vom Netz lassen. Das erfuhr am Mittwoch die Deutsche-Presse-Agentur in Berlin. Die Konzerne selbst wollten sich offiziell nicht äußern. Damit wäre das Aus für acht Meiler endgültig.
15.06.2011
Von Georg Ismar

Rechtlich wäre ein Anfahren der durch das Moratorium für drei Monate stillgelegten Meiler möglich. Denn das Atomgesetz, das das dauerhafte Aus verfügt, wird nicht vor Mitte Juli vorliegen. Wollten die Konzerne in der Zwischenzeit noch einige Millionen mit Atomstrom verdienen, hätten Bund und Länder keine Handhabe dagegen.

500.000 Euro pro Tag

Mit einem Atomkraftwerk lässt sich abzüglich der Steuer auf Brennelemente pro Tag mehr als eine halbe Million Euro verdienen. Unabhängig vom jetzigen Einlenken könnten alle vier AKW-Betreiber Milliardenentschädigungen fordern. Ihrer Meinung nach bedeuten das endgültige Aus für die acht abgeschalteten AKW und die schrittweise Abschaltung der neun anderen Meiler bis 2022 eine riesige Kapitalvernichtung; die festen Abschaltdaten könnten Eingriffe in Eigentumsrechte darstellen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte das am Mittwoch ausgelaufene Atom-Moratorium nach der japanischen Reaktorkatastrophe in Fukushima am 15. März verkündet. Die sieben ältesten Kernkraftwerke und der ohnehin seit Jahren vom Netz getrennte Atommeiler Krümmel wurden damit vorübergehend für drei Monate stillgelegt. Je nach Weisungszeitpunkt der Atomaufsichtsbehörden gilt das Moratorium aber noch bis Ende der Woche.

Betroffen von dem Aus sind: Neckarwestheim I, Philippsburg I (EnBW/Baden-Württemberg), Biblis A und B (RWE/Hessen), Isar I (Eon/Bayern), Unterweser (Eon/Niedersachsen) und die seit 2007 fast dauerhaft stillstehenden AKW Brunsbüttel und Krünmmel (Vattenfall/Schleswig-Holstein). Der größte Kernkraftwerksbetreiber Eon hatte bereits mitgeteilt, dass seine betroffenen Meiler Isar I und Unterweser nicht mehr angefahren werden. Vattenfall ist ein Sonderfall, da die Anlagen Krümmel und Brunsbüttel ohnehin nicht anfahrbereit sind.

RWE klagt gegen Abschaltung

Begründet wurde das Atom-Moratorium mit Paragraf 19, Absatz 3 des Atomgesetzes. Die Regelung erlaubt bei drohenden konkreten Gefahren eine vorübergehende oder komplette Abschaltung von Atommeilern. Laut Regierung ging es nach dem Fukushima-Gau um eine vorsorgende Maßnahme. Der Energiekonzern RWE hat gegen diese rechtliche Begründung geklagt.

Den Unternehmen entgehen insgesamt über 500 Millionen Euro nur durch das Moratorium. Sie betonen, durch Fukushima habe sich an der Sicherheit deutscher Anlagen nichts geändert. Hinzu kommen mögliche Milliardenschäden durch den Atomausstieg bis 2022. Eon will diese nun beziffern und mit der Regierung über Entschädigungen sprechen. Greenpeace wertete den Einschnitt durch das Moratorium als positiv. Es sei ein erster wichtiger Schritt zur Stilllegung der acht alten Reaktoren gewesen, sagte Atomexperte Tobias Münchmeyer. Ein Wiederanfahren stillgelegter Meiler dürfe es auf keinen Fall geben: "Das wäre unnötig und nach Fukushima inakzeptabel."

Der Atomausstieg und die damit verbundene Energiewende drohen für die Bundesregierung einem Bericht zufolge deutlich teurer als geplant zu werden. Nach Information der "Berliner Zeitung" (Mittwoch) wollen die Bundesländer das Vorhaben der Regierung durchkreuzen, einen großen Teil der Kosten für die Förderung der Gebäudesanierung auf Länder und Kommunen abzuwälzen. Mehrere Ausschüsse des Bundesrates hätten beschlossen, vom Bund eine vollständige Kostenübernahme zu fordern.

Länder stellen sich quer

Die Ausschüsse argumentierten vor der Sitzung des Bundesrates am Freitag, die neue Schuldenbremse müsse eingehalten werden. "Vor diesem Hintergrund fordert der Bundesrat, dass der Bund die Mindereinnahmen der Länder und Kommunen, die durch dieses Gesetz entstehen, vollständig ausgleicht", zitiert die Zeitung aus der Ausschussempfehlung.

Die Kostenübernahme würde nach den Angaben Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) fast eine Milliarde Euro im Jahr mehr kosten. Die Regierung will das Förderprogramm mit zinsgünstigen Krediten auf 1,5 Milliarden Euro ab 2012 aufstocken. Zudem sollen ab 2012 jährlich zehn Prozent der Sanierungskosten von der Steuer abgesetzt werden können. Das Blatt geht davon aus, dass der Finanzminister auf die Forderung der Länder eingehen muss, da das entsprechende Gesetz in der Länderkammer im Gegensatz zu den übrigen Teilen des Energiepaketes zustimmungspflichtig sei. Schwarz-Gelb hat im Bundesrat keine eigene Mehrheit mehr.

dpa