Der Fall kino.to: Exempel fürs Urheberrecht im Netz

Der Fall kino.to: Exempel fürs Urheberrecht im Netz
Die Filmindustrie feiert das Aus von kino.to. Viele Nutzer aber sind verärgert. Der Konflikt ums Urheberrecht im digitalen Zeitalter geht in eine neue Runde. Über den konkreten Fall hinaus sind die Filmbranche und der Gesetzgeber gefordert.
09.06.2011
Von Peter Zschunke

Kein Empfang mehr über diesen Kanal: Statt eines Links zum neuesten Kinofilm ist bei kino.to nur noch ein Hinweis der Kriminalpolizei zu sehen: Die Website ist geschlossen, "wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung zur gewerbsmäßigen Begehung von Urheberrechtsverletzungen". Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt gegen 21 Personen, zwölf von ihnen sind in Untersuchungshaft.

Die Razzia in 42 Wohnungen, Büros und Rechenzentren in insgesamt 20 Orten zwischen Berlin, Hamburg und München folgt einem Strafantrag, den die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) im April gestellt hat. Bei dieser Einrichtung von Unternehmen und Verbänden der Film- und Unterhaltungssoftware-Branche ist man froh über das Aus von kino.to. Christiane Ehlers von der GVU hat nach eigenen Angaben gerade die E-Mail einer kleinen Filmproduktionsfirma bekommen: "Endlich wurde diese Plattform geschlossen. Das macht mir als Filmhersteller wieder Mut."

Die Nutzer sind empört

Bei den Nutzern - insgesamt sollen es rund vier Millionen sein, täglich mehrere hunderttausend - löste die Nachricht vom Aus für kino.to hingegen Empörung aus. Einige riefen zu Demonstrationen auf, kritisierten auf Facebook, dass die Justiz von der "Content Mafia" unterwandert sei. Beim Streaming von Filmen werden diese nicht als Datei heruntergeladen, sondern direkt über das Internet abgespielt - was viele Anwender und auch manche Juristen als rechtlich unbedenklich einschätzen.

"Der Fall hat ähnliche Ausmaße wie das Vorgehen gegen das Portal Pirate Bay in Schweden", sagt der IT-Experte der Kanzlei Graf von Westphalen, Arnd Böken. Die Server von Pirate Bay, wo Links zu Dateien aller Art für das File-Sharing-Protokoll BitTorrent verfügbar sind, wurden vor fünf Jahren von der Polizei beschlagnahmt. Danach folgte ein langwieriges juristisches Verfahren über mehrere Instanzen, das bis heute noch nicht abgeschlossen ist.

Auch der Urheberrechtsexperte der Piratenpartei, Andreas Popp, sieht da "vom Prinzip her eine starke Parallele". Wie bei Pirate Bay habe es auch bei kino.to nur Links zu den Inhalten auf anderen Servern gegeben. Und in beiden Fällen seien das Netz an sich und seine Nutzer als "die bösen Urheberrechtsverletzer" hingestellt worden.

Die Musikindustrie hat besser reagiert

"Die Nutzer wollen den Content aus dem Netz haben, die Industrie bietet das aber nicht an", kritisiert Popp. "Deswegen schaffen die Nutzer ihre eigenen Plattformen." In den USA sei man hier schon weiter als in Europa, wie an Beispielen wie dem Portal hulu.com oder Filmplattform Netflix zu sehen sei. Es sei ein Kampf gegen Windmühlen, wenn man den "Konflikt zwischen digitaler Revolution und Urheberrecht" nur mit polizeilichen Mitteln zu lösen versuche.

Der Fall kino.to zeige, dass man in diesem Konflikt "immer noch auf dem gleichen Stand ist wie vor zehn Jahren, als man versucht hat, Napster abzuschalten", sagt Popp. Die Musiktauschbörse Napster wurde 2001 in ihrer ursprünglichen Form zwar abgeschaltet. Inzwischen aber hat die Musikbranche erfolgreiche Online-Vertriebskanäle wie iTunes eingerichtet, die von den Nutzern angenommen werden. Dabei werden die Musiktitel meist ohne Kopierschutz angeboten.

Kino.to war ein lukratives Portal

Einer der Beteiligten am kino.to-Projekt äußerte sich anonym im Blog netzfeuilleton.de und erklärte, es gebe "ein paar hundert Leute", die regelmäßig Filme, Serien und Dokumentationen auf einer Reihe von Servern einstellten. "Die Links werden dann bei kino.to eingegeben und erscheinen wenig später auf der Seite."

Nach seiner Darstellung war kino.to ein lukratives Portal, aufgrund der großen Zahl von Nutzern sei die Webseite "voll mit Erotik- und Pokerwerbung" gewesen. Die Streaming-Hoster wiederum hätten ebenfalls für den Zustrom an Besuchern gezahlt, erklärte der anonyme Uploader und fügte hinzu: "Mit den kino.to-Links habe ich so 1.000 US-Dollar im Monat verdient."

Die Beschuldigten im Fall kino.to müssten jetzt zunächst mit monatelangen Ermittlungen rechnen, sagt der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Dresden, Wolfgang Klein. Die Justiz allein kann aber den Konflikt nicht auf Dauer lösen. Selbst die GVU erwartet, dass es Nachfolger von kino.to geben wird. Rechtsanwalt Böken hält es daher für "wünschenswert, dass der Gesetzgeber eine klare Regelung schafft, um die Nutzung solcher Angebote eindeutig zu bestimmen, nicht nur in Deutschland, sondern international."

dpa