"Der deutsche Humor ist besser als sein Ruf"

"Der deutsche Humor ist besser als sein Ruf"
Der deutsche Comedian Ralf Schmitz über gute und schlechte Komiker, Spaß in Zeiten der Globalisierung und was junge Entertainer von Altstars wie Loriot lernen können.
09.06.2011
Von Cornelia Wystrichowski

Wer ist lustiger – Loriot, Otto, Hape Kerkeling oder eher Mario Barth? Das ARD-Publikum durfte die besten Spaßmacher der Fernsehgeschichte wählen, in der Show "Die beliebtesten Komiker der Deutschen" (Donnerstag, 9. Juni, 20.15 Uhr, ARD) wird die so entstandene Hitliste der 25 populärsten Possenreißer präsentiert. Ein launiger Mix aus kurzen Porträts, Filmausschnitten und den Kommentaren von Prominenten: Unter anderem erklären Waldemar Hartmann, Mike Krüger, Jürgen von der Lippe, Karl Dall, Lisa Fitz, Herbert Feuerstein, Dieter Thomas Heck, Günther Jauch, Friedrich Nowottny und Altkanzler Helmut Schmidt, bei wem und warum sie am meisten lachen können. Moderiert wird die Show von Entertainerin Kim Fisher und dem Wahl-Kölner Ralf Schmitz, einem Fachmann in Sachen Humor: Der 36-Jährige ist selber Comedian und zurzeit mit seinem Bühneprogramm "Schmitzophren" auf Tournee.

Herr Schmitz, verstehen Komiker eigentlich Spaß?

Ralf Schmitz: Die meisten, die ich kenne, verstehen Spaß. Und wenn es beim ein oder anderen vielleicht nicht so ist, behält der das schön für sich (lacht). Ein Komiker, der nicht über sich selber lachen kann – wie sähe das denn aus? Insofern genieße ich in der Show über die beliebtesten deutschen Komiker eine gewisse Narrenfreiheit und kann einige kleine Frotzeleien anbringen. Aber natürlich alles im Rahmen.

Gab es bei der Publikumswahl der beliebtesten Komiker denn Überraschungen oder teilen sich die üblichen Verdächtigen wie Loriot und Hape Kerkeling die vorderen Plätze?

Schmitz: Natürlich gibt es einige Namen, die ich vorher genau auf dieser Platzierung erwartet hatte. Loriot ist in unserer Bestenliste, da verrate ich nicht zu viel, er gehört ja einfach zum Comedy-Olymp. Aber es gab auch Überraschungen.

Der feinsinnige Loriot oder Mario Barth mit seinem brachialen Witz – über welchen Komiker können Sie als professioneller Spaßmacher lachen?

Schmitz: Mein Lieblingskomiker ist Loriot, ganz klar! Aber so wie ich am einen Abend gerne in die Oper gehe und am anderen in einen amerikanischen Popcorn-Film im Kino, kann ich mir heute den lauten Kollegen ansehen und morgen Loriot. Insgesamt mag ich die Vielfalt.

Was macht eigentlich einen guten Komiker aus?

Schmitz: Timing! Das ist ganz wesentlich, denn manchmal geht es bei Komik nur um eine winzige Nuance von Zeit. Außerdem kenne ich keinen guten Komiker mit wirklich niedrigem IQ – mein Gott, klingt das jetzt sehr nach Selbstbeweihräucherung, was ich da sage?

Nein, keine Sorge, reden Sie weiter...

Schmitz: Na gut. Ein guter Komiker muss beobachten können, Leute und Situationen durchschauen, den Kern der Dinge erfassen – und er muss einfach Funny Bones haben.

Wie bitte?

Schmitz: Ein Bauchgefühl der Komik, das die ganzen Altmeister hatten, mit denen ich groß geworden bin. Leute wie Jerry Lewis und Louis de Funès finde ich toll. Das waren Leute, die hatten Funny Bones, sie haben einfach gefühlt, was komisch ist und wo ihr eigenes Talent liegt. Auch bei den heutigen Kollegen sind mir die am liebsten, bei denen man merkt: Die machen das, was ihr Ding ist, was aus ihnen raus muss.

Was unterscheidet frühere Comedians von den heutigen?

Schmitz: Die Geschwindigkeit. Ein Sketch von Loriot ist zwar noch aktuell, das ist ja das Tolle bei ihm, aber wenn man junge Leute nach ihrer Meinung fragen würde, dann würden sie immer sagen, dass das schon sehr langsam ist. Heute ist alles sehr schnell, von den Produktionsbedingungen bis zur Gagdichte, viel schneller als jetzt können wir gar nicht mehr werden. Das ist einerseits von Nachteil, weil feinere Details verloren gehen, aber andererseits ist ein höheres Tempo toll, weil man mehr unterbringen kann.

Die Show präsentiert Komiker aus fünf Jahrzehnten. Hat sich der viel geschmähte deutsche Humor im Lauf dieser Zeit gebessert?

Schmitz: Der deutsche Humor ist besser als sein Ruf. Früher haben die Deutschen vielleicht unter internationalem Niveau gelacht, aber nur insofern, als die Vielfalt fehlte. Mittlerweile haben wir eine unglaubliche Bandbreite von Komikern, und die Hallen sind voll, weil die Leute all diese unterschiedlichen Typen sehen wollen. Der Humor der Deutschen kann nicht schlecht sein. Dass die meisten Deutschen über andere Sachen lachen als beispielsweise die Briten – na und? Und im Zuge der Globalisierung ändert sich das ohnehin, alles wird internationaler. Auch Deutsche können natürlich über Rowan Atkinson lachen, den berühmten "Mr. Bean".

Gibt es einen Allzweckwitz, über den jeder Mensch lacht und mit dem Sie zur Not auch mal eine Show retten können?

Schmitz: Wenn Sie die Leute zwingen wollen, nach dem Motto: Ihr müsst jetzt lachen, sonst ist es doof – das klappt schon mal gar nicht.

Also haben Sie keine Trickkiste mit Ostfriesenwitzen oder Späßen rund ums Thema Frauen und Autofahren...

Schmitz: Natürlich funktionieren manche Gags besser als andere, aber die kann man nicht überall einfügen. Wenn ich gerade eine Pointe gemacht habe und kein Mensch lacht, weil diese spezielle Geschichte einfach nicht ankommt, dann kann ich nicht einfach einen bestimmten Gag rausholen, der aber gar nicht zur Dramaturgie des Abends passt. In solchen Fällen muss man improvisieren, da darf man natürlich keine Angst auf der Bühne haben – der nächste Einfall kommt bestimmt.

Und wo bekommen Sie die besten Einfälle? Setzen Sie sich gezielt ins Straßencafé und beobachten Passanten?

Schmitz: Nein, meistens ergeben sich die besten Beobachtungen im Alltag ganz nebenbei von allein. Wenn ich etwa beim Bäcker das Kleingeld vergessen habe, und die Kölner Verkäuferin sagt zu mir: "Macht nix, mein Jung, bring dat Jeld nächstes Mal mit" – so was kann ich irgendwann verwenden. Manchmal habe ich aber auch ganz einfach unter der Dusche eine spontane Idee für eine Nummer.