Reporter: An der Arbeit gehindert und in Lebensgefahr

Reporter: An der Arbeit gehindert und in Lebensgefahr
Neue Sperrgebiete, wachsende Sicherheitsrisiken: Berichterstatter im Ausland sind um ihren Job selten zu beneiden. Ein Gespräch zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai.
03.05.2011
Die Fragen stellte Bettina Rühl

Journalisten in Afrika sind nach Einschätzung des "Spiegel"-Afrika-Korrespondenten Horand Knaup zunehmend mit schwer durchschaubaren Gefahren konfrontiert. Es gebe immer mehr Gebiete, über die die Regierungen die Kontrolle verloren hätten, sagte Knaup, Jahrgang 1959. Er lebt seit drei Jahren in der kenianischen Hauptstadt Nairobi und berichtet von dort über die Länder südlich der Sahara. Ein Gespräch zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai.

Früher haben vor allem Regierungen die Pressefreiheit behindert. Ist das immer noch so?

Horand Knaup: Die Rolle von Regierungen nimmt ab. Es gibt immer mehr sogenannte "failed states", Staaten oder ganze Regionen, in denen die Regierungen keine Kontrolle mehr ausüben. In Afrika sind das zum Beispiel Somalia oder große Teile des Südsudan. Aber auch große Teile der Sahara, die für die Regierungen in Mali und in Niger praktisch nicht mehr kontrollierbar sind. Außerdem ganze Bereiche der Republik Kongo, auch dort hat die Regierung in Kinshasa die Kontrolle weitgehend verloren. Sich dort als Journalist zu bewegen, ist sicher nicht einfacher geworden. Und wo Regierungen noch die Kontrolle haben, weisen sie zunehmend mehr Orte als Sperrgebiete für Journalisten aus.

Von wem geht die Gefahr für Journalisten aus?

Knaup: Ein Teil des Problems ist sicher, dass man diese Gruppen gar nicht genau identifizieren kann. In Somalia zum Beispiel: Natürlich gibt es die islamistische Gruppe Al Schabaab, aber außerdem gibt es kleinere Milizen, Untergruppen und von den Al Schabaab abgesprengte Gruppen, die auf eigene Faust operieren. Das Gleiche gilt für den Osten der Demokratischen Republik Kongo.

In der Sahara, aus der ich gerade komme, sind Schmuggler unterwegs: Menschenschmuggler, Zigarettenschmuggler, Drogen- und Waffenschmuggler und Mitglieder von "Al Qaida im Maghreb". Sie alle haben ganz unterschiedliche Interessen. Das als Journalist immer einzuschätzen, unter Umständen auch die schnell wechselnden Interessenlagen, ist sehr schwierig geworden. Das geht nur, wenn man eine Region wirklich gut kennt und vor Ort ausgesprochen zuverlässige Leute hat.

Was bedeutet das für die Berichterstattung?

Knaup: Die Vorbereitung auf Reisen wird aus meiner Sicht immer aufwendiger und letztlich auch kräftezehrender. Das fängt beim Visum an. Ein Journalistenvisum zu bekommen, ist in einer Reihe von Ländern enorm schwierig. Oft bekommt man keines und muss sich dann vor Ort "under cover" bewegen. Unter solchen Umständen muss man bei den Recherchen natürlich ungleich vorsichtiger sein. Solche Restriktionen gab es sicher immer schon, aber mein Eindruck ist: Diese Beschränkungen nehmen zu.

In Regionen wie der Sahara oder Somalia ist das Kidnapping zu einem millionenschweren Wirtschaftszweig geworden. Wie können Sie sich als Journalist davor schützen?

Knaup: Wirklich schützen kann ich mich nur durch gute Vorbereitung und gute, verlässliche Kontakte. Und auch mal durch den Mut zu sagen: Hierhin oder dorthin fahre ich im Moment nicht.

Und woher nehmen Sie die verlässlichen Kontakte?

Knaup: Wenn man wie ich über 40 Länder zu betreuen hat, dann ist das bisweilen schon aufwendig. Es braucht Zeit, und es braucht natürlich auch Geld. Man muss seine Kontakte, wenn es professionelle freie Mitarbeiter sind, pflegen, man muss sie auch manchmal in schlechten Zeiten mit kleinen Beträgen bei Laune halten. Denn ich kann ja nicht ein oder zwei Mal im Jahr nur zur Kontaktpflege beispielsweise nach Simbabwe und nach Mali fliegen. Da stößt selbst ein großer Verlag bei den Reisespesen schnell an seine Grenzen.

Man hat den Eindruck, dass die Welt immer kleiner wird, dass wir zu jeder Zeit wissen, was weltweit los ist. Ist das auch Ihr Empfinden?

Knaup: Ich glaube, dass es gegenläufige Entwicklungen gibt. Einerseits können Informationen, Bilder und Filme heute über das Internet, über Handys tatsächlich sehr viel schneller transportiert werden. Wenn es irgendwo auf der Welt Unruhen oder einen Putsch gibt, wird die Grundinformation darüber unglaublich schnell transportiert. Aber die Hintergrundinformation zu recherchieren, die Vorgeschichte und das, was sich im Untergrund tut - das ist meines Erachtens deutlich schwerer geworden als noch vor einiger Zeit. Erstens, weil wir weniger geworden sind. Es gibt inzwischen deutlich weniger Korrespondenten in Afrika als noch vor einigen Jahren. Zweitens gibt es größere finanzielle Beschränkungen. Und es gibt schließlich das Sicherheitsrisiko. Auch das hat aus meiner Sicht in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen. 

epd