Filmkritik der Woche: "Mütter und Töchter"

Filmkritik der Woche: "Mütter und Töchter"
Verschlungene Lebenswege: Das Episodendrama "Mütter und Töchter" verbindet drei Frauen und drei Schicksale einfach und geheimnisvoll miteinander.
27.04.2011
Von Marli Feldvoß

Die Physiotherapeutin Karen (Annette Bening), die bei ihrer Mutter lebt und sie pflegt, plagt ein schlechtes Gewissen: Sie schreibt seit Ewigkeiten Briefe an ihre Tochter, die sie auf Geheiß der Mutter mit 14 zur Adoption freigeben musste. Die ehrgeizige Anwältin Elizabeth (Naomi Watts), die bei Geburt adoptiert wurde, führt indes ein ungebundenes Leben und wechselt dabei - durchaus zwanghaft - Arbeitsplätze wie ihre Liebhaber. Die verheiratete Lucy (Kerry Washington) will und muss sich aufgrund von Gebärunfähigkeit ihren Kinderwunsch per Adoption erfüllen.

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Dass Karen und Elizabeth biologisch Mutter und Kind sind, liegt auf der Hand - die Wege, die beide gehen müssen, um sich ihren wahren Konflikten zu stellen und nach Lösungen zu suchen, sind das eigentliche Thema des Films. Die junge afroamerikanische Familie mit Kinderwunsch repräsentiert schon die nächste Generation, die offener, ohne verdrängte Schuldgefühle mit derartigen Problemen umgehen kann.

Der Originaltitel "Mother And Child" beschwört die heilige Symbiose, die in der römisch-katholischen Ikonographie der Mariendarstellung verewigt ist - und die von Rodrigo Garcia nicht auf die leichte Schulter genommen wird. Versteckt spielt der Regisseur mit den geheimen Signalen, die von den Familiengeheimnissen ausgesandt werden, bis diese endlich ans Tageslicht gebracht werden. Aber der vermeintliche Vorrang der Blutsbande und das verheißene Bündnis zwischen "Mutter und Kind" bleiben keineswegs unhinterfragt, sondern sind Teil des hier ausgebreiteten Konfliktpotentials und begleiten den Film bis zu seinem völlig überraschenden und unkonventionellen Happy End - ein großer, mühevoll gebastelter elliptischer Erzählbogen.

Tiefe psychologische Auslotung der Figuren

Schwierigkeiten machen die völlig getrennt verlaufenden Lebensgeschichten, von denen jede für sich einen eigenen Film hätte füllen können. Man merkt dem durch die TV-Serie "In Treatment - Der Therapeut" bekannt gewordenen Regisseur Garcia an, dass es ihn zu komplexeren Erzählungen drängt. Das erlaubt ihm eine tiefere psychologische Auslotung.

Die Darsteller, voran Annette Bening und Naomi Watts, tragen den Film mit einer Leidenschaft, die so etwas wie melodramatische Untertöne völlig verbietet. Die Schlagkraft des Films verdankt sich ihren realistischen Figuren, die das Konstruierte des Plots ganz überspielen. Darüber vergisst man auch die etwas unglückliche Regie-Entscheidung, die Vorgeschichte der Adoption in Form einer stummen Bildergeschichte als Vorspann zu zeigen und damit ein Stück Spannung (und auch Wahrheit) zu verschenken. Alles in allem hat es dem Film jedoch nicht geschadet.

Regie: Rodrigo Garcia. Mit: Annette Benning, Naomi Watts, Kerry Washington, Samuel L. Jackson. L: 125 Min. FSK: ab 12, ff.

epd