Harvard-Jurist wird neuer politischer Kopf der Tibeter

Harvard-Jurist wird neuer politischer Kopf der Tibeter
Vor einigen Wochen hatte der Dalai Lama angekündigt, seine politischen Aufgaben als Oberhaupt der Tibeter abzugeben. Nun steht sein Nachfolger fest: Lobsang Sangay (43). Der Harvard-Absolvent gewann die Wahl im indischen Dharamsala deutlich mit 55 Prozent der abgegebenen Stimmen. Er war bereits vor der Abstimmung als aussichtsreichster Kandidat gehandelt worden.

Die Abstimmung markiert einen politischen Umbruch: Ein demokratisch gewählter Premierminister ersetzt erstmals den bislang von einem religiösen Orden bestimmten politischen Führer der Tibeter. Der Dalai Lama zieht sich aus der politischen Verantwortung zurück und konzentriert sich allein auf seine Funktion als spiritueller Führer und Religionsoberhaupt. Der buddhistische Mönch hatte dies schon seit längerem angekündigt. Der Schritt des Dalai Lama wird nicht von allen Tibetern begrüßt. Viele fürchten, dass die Exilgemeinde viel an politischem Einfluss und moralischer Autorität verlieren könnte.

Der 75-jährige Friedensnobelpreisträger lebt seit Ende der 1950er Jahre im Exil in Nordindien, wo auch die Exilregierung sitzt. Der 14. Dalai Lama ("ozeangleicher Lehrer"), geboren als Tendzin Gyatsho, war 1959 aus Lhasa nach Indien geflohen, nachdem chinesische Truppen den Volksaufstand in Tibet blutig niedergeschlagen hatten. Mehr als 10.000 Tibeter sollen damals ums Leben gekommen sein. Indiens damaliger Ministerpräsident Jawaharlal Nehru bot dem exilierten Mönch und seinen Vertrauten in Dharamsala, einer Bergstadt im Himalaya, eine Zuflucht an.

Sieg gegen zwei Mitbewerber

Die Kommission erklärte Sangay, der an der renommierten Harvard-Universität promovierte und dort derzeit noch forscht, am Mittwoch zum Gewinner der Abstimmung. Sangay setzte sich klar gegen seine zwei Mitbewerber durch. Er wird im Mai in Dharamsala erwartet, dem Sitz der Exilregierung. Sie wird weltweit von keinem Staat anerkannt. Zur Wahl des Premierministers (Kalon Tripa) und der 43 Abgeordneten des Exilparlaments waren am 20. März mehr als 83.000 Exiltibeter vor allem in Nordindien aufgerufen.

Der seit 2001 amtierende Premierminister Lobsang Tensin, der unter seinem Titel Samdhong Rinpoche bekannt ist, war nach zwei Legislaturperioden nicht mehr angetreten. Seine Amtszeit endet im August. Der neue Premierminister werde mehr Verantwortung schultern müssen, hatte Rinpoche vor der Wahl mit Blick auf den bevorstehenden Rückzug des Dalai Lama gesagt. Nach tibetischen Angaben fallen die zentralen politischen Aufgaben des Dalai Lama dann dem Premierminister zu. Darunter zählen mögliche Verhandlungen mit der Besatzungsmacht China und die Auflösung des Parlaments.

dpa/epd