Vom Tohuwabohu bis zum siebten Himmel

Vom Tohuwabohu bis zum siebten Himmel
Wir laufen von Pontius zu Pilatus, lesen uns manchmal die Leviten und sind gelegentlich im siebten Himmel: Viele Redewendungen aus der Alltagssprache haben ihren Ursprung in den biblischen Schriften des Alten und Neuen Testaments. Und die meisten Menschen verwenden sie, ohne ihre genaue Herkunft und Bedeutung zu kennen.
18.04.2011
Von Mareike Burkhardt

Als Martin Luther vor fast 500 Jahren in nur elf Wochen die Bibel übersetzte, legte er damit einen wichtigen Grundstein für die deutsche Sprache. "Man muß die Mutter im Haus, die Kinder auf den Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden und danach dolmetschen; so verstehen sie es denn und merken, dass man deutsch mit ihnen redet", schrieb er im "Sendbrief vom Dolmetschen" (1530). Die Inhalte der Bibel wurden dann über Jahrhunderte hinweg ständig zitiert, die sogenannten Biblizismen Teil der Alltagssprache.

Jörg Buchna, ehemaliger Öffentlichkeitspastor der hannoverschen Landeskirche in Ostfriesland und Buchautor, hat sich 2003 auf die Suche nach Sprachschätzen gemacht und das erste Buch einer Trilogie zu biblischen Redewendungen veröffentlicht. Er kennt die Herkunft vieler Redensarten. Wer sich beispielsweise vor Liebe oder Verzückung im "siebten Himmel" wiederfindet, weiß oft nicht, dass seine Aussage eigentlich auf den Apostel Paulus zurückgeht. Dieser befand sich zwar nur im dritten Himmel, die Redewendung ist aber auf diese Bibelstelle (2. Korinther 12,2-4) zurückzuführen.

Vom Scheitel bis zur Sohle

Und wenn einem dann sein Gegenüber "vom Scheitel bis zur Sohle" gefällt, bezieht sich das eigentlich auf Abschalom aus dem zweiten Buch Samuel, der "vom Scheitel bis zur Sohle" ohne Makel war (2. Buch Samuel 14, 25). Auch das "Tohuwabohu" stammt aus der Bibel: Der hebräische Ausdruck heißt "wüst und leer" - so sah die Erde anfangs aus, heißt es in der Schöpfungsgeschichte (1. Mose 1,2). Die Deutsche Bibelgesellschaft in Stuttgart listet noch zahlreiche andere bekannte Redewendungen auf. Dazu gehören etwa "Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein" (Sprüche 26,27), "Hochmut kommt vor dem Fall" (Sprüche 16,18) oder auch "Alle Wasser laufen ins Meer" (Prediger 1,7).

Buchna zählt die biblischen Ausdrücke zum "Tafelsilber unseres Sprachschatzes". Der Verlust der Kenntnis über ihren Ursprung bereitet ihm Sorgen. Er wirbt in Zeiten von Twitter und SMS dafür, "Redewendungen, die noch Inhalte transportieren, zu bewahren und sie nicht zu leeren Worthülsen verkommen zu lassen". Es lohne sich, den Ursprüngen einmal nachzugehen, sagt er.

Manchmal merkt man dabei auch, wie sich die Bedeutungen verschieben. Heute bedeutet etwa "jemandem die Leviten lesen" so viel wie "jemanden streng zurechtweisen oder tadeln". Diese Redewendung leitet sich aus dem 3. Buch Mose (Levitikus) ab. Dort sind Verhaltensregeln für die Leviten - so wurden im alten Israel die Priester genannt - niedergeschrieben, die sich von Opferregeln bis hin zu Anweisungen für das alltägliche Leben und den Umgang miteinander erstrecken. Werden einem also die Leviten gelesen, so geht es also eigentlich um die dort niedergeschriebenen Regeln.

Im Dänischen nicht ganz so kompliziert

Ein wenig komplizierter verhält es sich mit der Redewendung "von Pontius zu Pilatus laufen". Heute wird es verwendet im Sinne von "erfolglos vom einem zum anderen laufen". Pontius Pilatus war der römische Statthalter in Judäa, der nach langem Zögern Jesus zum Tode durch Kreuzigung verurteilte. Wie also kann man von Pontius zu Pilatus laufen, wo dieser doch nur eine Person war? Vielleicht deswegen: Jesus wurde als Gefangener vom Verhör vor dem Rat der Priester und Ältesten zu Pilatus geführt. Als der von Jesus hörte, dass er aus Galiläa sei, schickte ihn Pilatus zu Herodes als dem für Galiläa zuständigen "Richter". Doch Herodes sandte den Gefangenen schließlich wieder zu Pilatus zurück (Lukas 23).

Dieses erfolglose Hin und Her von einer Instanz zur anderen, um dann doch wieder am Ausgangspunkt anzukommen, nämlich bei Pontius Pilatus, ist der Grund für den erst einmal etwas seltsam anmutenden Gebrauch dieser Redewendung. Übrigens ist es in Dänemark nicht ganz so kompliziert. Dort heißt es nämlich - ins Deutsche übersetzt - "einen von Herodes zu Pilatus schicken".

epd