Politisches Gezänk um Kosten für Atomausstieg

Politisches Gezänk um Kosten für Atomausstieg
Noch ist das Konzept für die schwarz-gelbe Energiewende sehr vage, da kursieren schon immense Zahlen über die angeblichen Kosten. Wer sie bezahlt, scheint aber schon klar: der Bürger.

Ungeachtet der befürchteten Preissprünge für Strom lehnen Union und FDP Steuererhöhungen zur Finanzierung der schwarz-gelben Energiewende ab. Die Union möchte zudem ein weiteres Sparpaket vermeiden. Die FDP will das Geld an anderer Stelle im Haushalt einsparen. Die Grünen kritisierten, dass von interessierter Seite unnötig Panik wegen höherer Strom-Preise gemacht werde.

Der designierte FDP-Chef Philipp Rösler sagte der "Passauer Neuen Presse" (Samstag): "Mit uns wird es keine Steuererhöhung zur Finanzierung des Umstiegs auf erneuerbare Energien geben. Ich bin gegen einen Energie-Soli. Es kommt auch keine höhere Neuverschuldung infrage. (...) Das Geld ... muss an anderer Stelle im Bundeshaushalt eingespart werden." Ähnlich äußerte sich FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger in der "Leipziger Volkszeitung" (Samstag).

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in ihrem Video-Podcast, auch für die Energieversorgung im Zeitalter der erneuerbaren Energien müssten Versorgungssicherheit, Umweltfreundlichkeit und Bezahlbarkeit gewährleistet sein. Merkel sagte ein Gesamtkonzept zu, mit dem Energie bezahlbar bleibe und energieintensive Industrie mit ihren Arbeitsplätzen nicht abwandere.

Brennelementesteuer soll Kosten auffangen

Der CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle versicherte in der "Passauer Neuen Presse" (Samstag): "Ein neues Sparpaket ist nicht notwendig. Steuererhöhungen schließe ich aus." Nicht ausschließen wollte er höhere Strompreise, denn Mehrkosten aus der Energiewende müssten auch ein Stück weit von den Verbrauchern getragen werden.

Barthle geht davon aus, dass die Brennelementesteuer, wie vorgesehen, bis 2016 in die Staatskassen fließen werde. Es gebe kein Junktim zur Laufzeitverlängerung. Die 2010 beschlossene Steuer soll jährlich 2,3 Milliarden Euro bringen. Allerdings werden allein durch die dreimonatige Abschaltung der ältesten deutschen Atomkraftwerke Millionenverluste erwartet.

Der "Spiegel" berichtet, dass im Finanzministerium als Reaktion auf Steuerausfälle durch die Abschaltung von Kernkraftwerken eine Erhöhung der Brennelementesteuer erwogen werde. Die Steuer sei schon bei den Verhandlungen zum Energiekonzept im vergangenen Herbst höher veranschlagt gewesen, aber an den Konzernen gescheitert.

"Hysterische Debatte mit Zahlen versachlichen"

Die "Bild"-Zeitung (Samstag) schrieb unter Berufung auf Koalitionskreise, Experten von Union und FDP bezifferten die Kosten für einen raschen Ausstieg aus der Kernenergie allein bis 2015 auf rund 16 Milliarden Euro. Der Betrag ergebe sich unter anderem aus stärkerer Förderung von Windparks und Gebäudesanierungen sowie einem beschleunigten Netzausbau. Hinzu komme weniger Brennelementesteuer.

Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn verlangte in der "Rheinpfalz am Sonntag" (Landau): "Die hysterische Debatte muss dringend mit konkreten Zahlen versachlicht werden." Es gebe keine ernsthafte Studie über derartige Preissprünge bei einem schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie, wie sie von Kernkraftbefürwortern aus Union, FDP und SPD an die Wand gemalt würden.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte dem "Tagesspiegel am Sonntag", selbst nach den Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums werde jeder deutsche Haushalt nur mit 1,50 Euro pro Monat zusätzlich belastet. Linke-Chefin Gesine Lötzsch forderte die Regierung auf, die Kosten der Energiewende nicht länger zu verschweigen.

Bundestag verlangt Mitsprache beim Atomgesetz

Unterdessen mehren sich die warnenden Stimmen, bei der Beratung des neuen Atomgesetzes das Parlament zu übergehen. Der Bundestag will sich dabei nach den Worten seines Präsidenten Norbert Lammert nicht von der Regierung unter Zeitdruck setzen lassen.

Lammert sagte der Zeitung "Die Welt" (Samstag), das dreimonatige Atommoratorium sei eine politische Vorgabe, innerhalb der man im Mai mit den Kommissionen für Reaktorsicherheit und für Ethik zu Schlussfolgerungen kommen wolle. "Wieviel Zeit der Bundestag anschließend braucht, um ein Gesetzgebungsverfahren sorgfältig zu beraten, entscheiden wir dann, wenn der Gesetzentwurf vorliegt."

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, kritisierte: "Der vorgesehene Zeitplan ist unseriös und eine Entmündigung des Parlaments." Bei einem Kabinettsbeschluss am 6. Juni und einer Bundesratsentscheidung am 17. Juni blieben im Bundestag für die Beratung von mindestens vier Gesetzen - Erneuerbare-Energien-Gesetz, Netzausbaubeschleunigungsgesetz, Atomgesetz und Energiewirtschaftsgesetz - höchstens fünf Tage. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier verlangte in der Zeitschrift "Super Illu" von der Regierung Zugeständnisse in der Atom- und Energiepolitik.

dpa