Filmkritik: "The Fighter" von David O. Russell

Filmkritik: "The Fighter" von David O. Russell
Die schwersten Kämpfe werden nicht im Ring ausgetragen: Mark Wahlberg spielt in "The Fighter" den Boxer Micky Ward, der sich im Privatleben mit schwergewichtigen Problemen auseinandersetzen muss.
05.04.2011
Von Frank Arnold

Solche Geschichten liebt das Publikum im Kino, jedenfalls das amerikanische: Menschen, die von ziemlich weit unten kommen und es bis ganz nach oben schaffen, dank ihres ungebrochenen Willens, dank ihrer Fähigkeit, Niederlagen einzustecken und trotzdem nicht aufzugeben. Der Sportfilm ist das klassische Genre für solche Storys, und manchmal entwickeln sich daraus fortsetzungsfähige Kinomythen, siehe "Rocky".

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Manchmal sind es aber auch wahre Geschichten, die erzählt werden – wie in "The Fighter" dem neuen Film von David O. Russell ("Three Kings"). Mark Wahlberg verkörpert hier den Iren Micky Ward, der in Lowell, einer verfallenden Arbeitersiedlung in der Nähe von Boston, lebt. Sein älterer Halbbruder Dicky, gespielt von Christian Bale, hatte einst einigen Erfolg als Boxer und erlebte seinen größten Triumph, als er Sugar Ray Leonard besiegte. Während Dicky noch von einem Comeback träumt, versucht sich Micky unter den Fittichen seines Bruders (als sein Trainer) und seiner von Melissa Leo gespielten Mutter (als seine Managerin) selbst als Boxer; von seinem eigenen Talent ist er allerdings nicht so richtig überzeugt.

Als er bei einem Kampf gegen einen Überraschungsgegner aus einer ganz anderen Gewichtsklasse antreten muss, wird er von dem schwereren Kontrahenten übel zugerichtet. Danach mag er in Lowell niemandem mehr unter die Augen treten, schon gar nicht der Kellnerin Charlene (Amy Adams), die er kurz zuvor in einer Kneipe angesprochen hatte. Aber Charlene weiß, was sie will; sie wird aktiv und gerät damit in Konflikt mit Mickys Familie, die bislang die beruflichen Entscheidungen für ihn getroffen hat.

Die Familie selbst ist zerrüttet und aus den Fugen gehoben: Vater George hat akzeptiert, dass seine Frau das Sagen hat, während das halbe Dutzend Schwestern mit hochgekämmten blonden Mähnen den missgünstigen Chor gibt. Die Mutter verschließt die Augen vor der Drogensucht von Dicky, der wiederum verweist stolz auf das ihn begleitende Kamerateam: Die drehen einen Film – über seine einstigen Erfolge als Boxer und sein bevorstehendes Comeback. Das eine stimmt, das andere nicht, das weiß der Zuschauer spätestens, als der Titel der Dokumentation auf dem Bildschirm erscheint: »Crack in America«.

Bitterer Moment der Erkenntnis

Die Ausstrahlung der Dokumentation wird zu einem bitteren Moment der Erkenntnis. Danach nimmt Micky das Training wieder auf, während auch Dicky seine zweite Chance bekommt – und sie nutzt. Gerade aus dem Knast entlassen, überwindet er erstaunlich schnell die Verletzung, dass sein Bruder ihn nicht mehr als Trainer dabeihaben will. Eine eindrucksvolle Sequenz zeigt seinen Gang durch die Straßen der alten Nachbarschaft, den Stopp vor dem Crackhaus – und seinen endgültigen Abschied davon.

"The Fighter" erzählt eine altbekannte Geschichte, besitzt aber genug eigenständiges Profil, um auch jene Zuschauer zu interessieren, die nicht unbedingt Fans des Genres sind. Im Vordergrund steht die Familiengeschichte, die Boxsequenzen sind vergleichsweise knapp gehalten. Vielleicht liegt es an dieser Akzentsetzung, dass Mark Wahlberg als Micky etwas blass bleibt – während Christian Bales und Melissa Leo für ihre Parts mit Oscars ausgezeichnet wurden.

USA 2010. Regie David O. Russell. Buch: Scott Silver, Paul Tamasy. Mit: Mark Wahlberg, Christian Bale, Amy Adams, Melissa Leo. L: 115 Min

epd