Vor dem Showdown: FDP plant schon ohne Westerwelle

Vor dem Showdown: FDP plant schon ohne Westerwelle
In der FDP geht es nun ans Eingemachte: Der Abgang von Guido Westerwelle als Parteichef scheint nur noch Formsache zu sein. Dass er Außenminister bleibt, ist auch keineswegs sicher.
03.04.2011
Von Frank Rafalski, Christoph Sator und Joachim Schucht

Auch hoch über den Wolken bleiben die Signale widersprüchlich. Halboffiziell wird in Guido Westerwelles Umfeld versichert, nichts sei entschieden. Der FDP-Chef werde keineswegs freiwillig für Jüngere seinen Platz räumen, heißt es an Bord der Maschine, die den Außenminister in der Nacht zum Sonntag aus Asien zurückbringt. Und schon gar nicht für Ältere.

Manches weist aber in eine ganz andere Richtung. Mitunter klingt es so, als ob der Vorsitzende nach zehn Jahren nun zum Rückzug bereit ist. In kleiner Runde vermittelt der Außenminister gern den Eindruck, er könne sich mit 49 Jahren auch noch ein Leben außerhalb der Politik vorstellen.

Westerwelle schwieg im Ausland

Auf seiner Fernost-Tour hatte Westerwelle trotz des strammen Pensums wohl auch Gelegenheit, über die Kunst des richtigen Abgangs nachzudenken. Während sich zu Hause in den eigenen Reihen ein Aufstand formierte, schwieg er in Peking und Tokio eisern dazu, was seine Zukunft angeht. Auslandreisen eigneten sich nicht für Parteigezänk zu Hause, darauf zog er sich immer wieder zurück.

Doch diese Ausrede gilt jetzt nicht mehr. Seit Sonntagmorgen um 5.50 Uhr ist Westerwelle wieder in Berlin. Er hat in den vergangenen Tagen mit etlichen Parteifreunden telefoniert. Welche Schlüsse er daraus gezogen hat, behielt er vorerst für sich.

Eigentlich rechnet aber niemand mehr damit, dass Westerwelle sich als Parteichef halten kann. Er dürfte mittlerweile sogar Probleme haben, seine anderen Ämter zu verteidigen. Die Welle der Kritik aus der FDP hat inzwischen eine Wucht erreicht, die ihn auch als Außenminister und Vize-Kanzler hinwegspülen könnte.

FDP-Präsidium tagt am Montag

Ob es an diesem Montag zum großen Showdown in der FDP-Spitze kommt oder doch eine gesichtswahrende Lösung präsentiert wird, stand am Sonntag noch in den Sternen. Jedenfalls dürfte es bei der Sitzung ans Eingemachte gehen. Ansonsten droht eine Palastrevolution.

Das Präsidium, das am Montag zusammenkommt, hat eigentlich kaum mehr richtige Autorität. Mindestens drei der neun Mitglieder des obersten FDP-Führungszirkels haben bereits ihren Rückzug angekündigt. Andere wie Westerwelle und Rainer Brüderle sind angeschlagen.

Generalsekretär Christian Lindner (32) und Gesundheitsminister Philipp Rösler (38) stehen im Prinzip bereit, Westerwelle zu beerben. Beide wollen aber Kampfkandidaturen vermeiden. Dafür hält sich Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger notfalls bereit.

Die bayerische Landeschefin hat eine treibende Rolle in der FDP-Führungskrise übernommen. Ihr wird auch zugetraut, dass sie - wenn auch wohl aussichtslos - für den Vorsitz antritt, um die zögernden FDP-Jungspunde zum Jagen zu tragen.

Eine Doppelspitze scheint möglich

Lindner oder Rösler also? Vieles spricht dafür, dass beide eine Tandem-Lösung im Blick haben. Der neue Chef müsste schließlich alle Parteiflügel - von den Links- bis zu den Marktliberalen - hinter sich scharen.

Lindner werden bessere Chancen beim Wirtschaftsflügel eingeräumt, hinter dem in der Bundestagsfraktion bis zu 40 der 93 Abgeordneten stehen. Alle personellen Veränderungen in der Bundesregierung müssen in der FDP in geheimer Abstimmung von der Fraktion gebilligt werden, können also nicht einfach von der Parteispitze dekretiert werden.

Darauf setzt auch Brüderle für den Fall, dass Rösler als neuer FDP-Chef seinen Posten als Wirtschaftsminister beanspruchen würde, um das undankbare Gesundheitsressort los zu werden. Trotz der krachenden FDP-Niederlage in Rheinland-Pfalz gilt Brüderle immer noch als Pluspunkt in der schwarz-gelben Koalition.

Rösler wäre ein Signal für neue Koalitionsmöglichkeiten

Rösler ist in der FDP nach wie vor sehr beliebt. Nur vom Wirtschaftsflügel wurde er zeitweise attackiert, weil er bei der Gesundheitsreform zuweilen den Pfad der reinen liberalen Lehre verlassen hat. Er wäre - stärker noch als Lindner - ein Signal für die Öffnung der Partei zu neuen Koalitionsoptionen.

Doch zunächst geht es darum: Wie entscheidet sich Westerwelle? Lässt er es auf einen offenen Kampf um den Parteivorsitz ankommen, so läuft er Gefahr, mit einiger Sicherheit auch sein Ministeramt zu verlieren. Bei einer "freundlichen Übergabe" des Parteiamts könnte er wahrscheinlich bis auf weiteres das Auswärtige Amt für sich retten.

dpa