Am Dienstag große Libyen-Konferenz in London

Am Dienstag große Libyen-Konferenz in London
Nach dem Eingreifen der internationalen Staatengemeinschaft hat sich das Blatt in Libyen anscheinend gewendet. Die Rebellen sind auf dem Vormarsch. Kämpfe werden vor allem aus der Stadt Sirte gemeldet. Doch was wird aus Gaddafi? Eine Konferenz in London soll eine diplomatisch-politische Lösung vorbereiten.

Unter dem Schutz der westlichen Militärkoalition schreitet der Vormarsch der Rebellen in Libyen voran. Nach Einnahme der strategisch wichtigen Ölhäfen im Osten des Landes rückten die Aufständischen in der Nacht zum Montag gegen Sirte, die Heimatstadt von Machthaber Muammar al-Gaddafi vor. Dort trafen sie allerdings auf Widerstand von Regierungstruppen. Noch stünden die Rebellen etwa 120 Kilometer östlich der Stadt, hieß es aus Quellen in Tripolis.

Die westliche Militärkoalition flog am Montagmorgen erneut Angriffe auf Stellungen Gaddafi-treuer Truppen in Sirte. Staatliche Medien berichteten von insgesamt neun Explosionen in der Mittelmeerstadt. Auch gegen die Hauptstadt Tripolis seien in der Nacht Luftschläge geführt worden. Gaddafis Artillerie beschoss indes die Stadt Al-Sintan südwestlich von Tripolis mit Raketenwerfern vom Typ Grad, berichtete Al-Dschasira unter Berufung auf einen Oppositionssprecher.

Rund 200 Gaddafi-treue Soldaten ergaben sich in der Ölförderstadt Dschalu, 400 Kilometer südlich von Bengasi im Landesinneren, den Aufständischen, nachdem sie von den entlang der Mittelmeerküste abziehenden Truppen abgeschnitten worden waren. Sirte, die Geburtsstadt Gaddafis, dürfte von den Rebellen ohne neuerliche Luftunterstützung durch die westliche Allianz schwer zu erobern sein. Die Stadt liegt 460 Kilometer östlich von Tripolis und 560 Kilometer westlich der Aufständischen-Metropole Bengasi.

Frattini: Spaltung der Libyen-Strategie vermeiden

Die Botschafter der 28 Nato-Staaten hatten am Sonntag die Übernahme des Kommandos für den gesamten internationalen Militäreinsatz beschlossen. Dies gelte "mit sofortiger Wirkung", sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Abend in Brüssel. "Unser Ziel ist es, Zivilisten und von Zivilisten bewohnte Gebiete zu schützen, die von einem Angriff durch das Gaddafi-Regime bedroht sind", heißt es in der Erklärung Rasmussens mit Blick auf die vom UN-Sicherheitsrat beschlossene Libyen-Resolution. "Die Nato wird alle Aspekte dieser Resolution umsetzen - nicht mehr und nicht weniger." Die Nato-Mitglieder müssten nun entscheiden, ob und wie sie sich daran beteiligen wollten, sagte Rasmussen.

Als erstes und einziges Bündnisland hat Deutschland eine militärische Beteiligung ausgeschlossen. Italiens Außenminister Franco Frattini stellte klar, dass er keine "deutsch-italienischen Achse" zur Beilegung des Libyen-Konflikts anstrebe. "Wir müssen eine Lösung finden, die von allen Verbündeten geteilt wird, nicht nur von den vier größten europäischen Ländern", sagte Frattini am Montag dem italienischen Fernsehsender Rai Uno.

Jede Spaltung in der politischen Libyen-Strategie müsse vermieden werden. Es gehe darum, eine gemeinsame Lösung zu finden für "das neue Libyen, das nach Gaddafi". Dass Gaddafi ins Exil geht, ist nach Frattinis Worten eine Option, die von der internationalen Gemeinschaft erörtert wird. "Ich bezweifele, dass er gehen will, die internationale Gemeinschaft muss aber darauf bestehen."

Türkei will humanitäre Hilfe koordinieren

Die Türkei will die Kontrolle über den Flughafen der Rebellenhochburg Bengasi übernehmen, um von dort aus humanitäre Hilfe zu koordinieren. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sagte, dies eine von drei Aufgaben, zu denen sich sein Land bei dem von der Nato geführten Einsatz bereit erklärt habe. Als weitere Punkte nannte er Luftüberwachung und den Einsatz der Marine zur Durchsetzung des Waffenembargos, wie die Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Zudem will die türkische Regierung nach Berichten vom Wochenende eine baldige Waffenruhe in Libyen vermitteln. In der britischen Zeitung "The Guardian" warnte Erdogan davor, dass ein langwieriger Konflikt das Land in einen "zweiten Irak" oder "ein weiteres Afghanistan" verwandeln könnte.

US-Präsident Barack Obama will die Motive für den Waffengang in Libyen erläutern. In der für Montagabend (Dienstag 01.30 Uhr MESZ) geplanten Rede werde er auch die Erfolge im Kampf gegen das Regime von Muammar al-Gaddafi darstellen, berichteten US-Medien vorab. Mit der Ansprache an einer Militäruniversität in Washington reagiert Obama auf Kritik, er habe den Kongress und die Öffentlichkeit in den USA nicht ausreichend informiert. Vor allem seien die Ziele des Einsatzes unklar.

Internationale Konferenz am Dienstag in London

Die Außenminister von mehr als 35 Nationen treffen an diesem Dienstag in London zusammen, um über die Lage in Libyen und die Zukunft des Landes zu sprechen. An der kurzfristig angesetzten Konferenz soll neben US-Außenministerin Hillary Clinton und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon auch der Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union, Jean Ping, teilnehmen. Das teilte das britische Außenministerium am Sonntag mit. Auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle wird zu dem Treffen erwartet.

Neben den aktuellen Entwicklungen werde vor allem die Zukunft Libyens im Fokus stehen, kündigte das Ministerium an. Das Regime von Machthaber Muammar al-Gaddafi habe jegliche Legitimation verloren. Die Konferenz wolle die politische Zukunft Libyens ausloten. Dabei arbeite man eng mit den wichtigsten Personen der libyschen Opposition zusammen. Ob Vertreter der Opposition in London anwesend sein werden, war zunächst nicht bekannt.

Die Außenminister wollten auch über die Notwendigkeit einer Waffenruhe, das Durchsetzen des Waffenembargos und der Flugverbotszone sowie den Schutz von Zivilisten sprechen, hieß es. Die Konferenz soll dem Ministerium zufolge eine "unmissverständliche Botschaft im Auftrag der internationalen Gemeinschaft" senden, dass die UN-Resolution 1973 Bestand habe und die Zivilbevölkerung vor Gewalt geschützt werde.

dpa