Reichster Mann der Welt: Señor Slims Gespür für Geld

Reichster Mann der Welt: Señor Slims Gespür für Geld
Er soll der reichste Mann der Welt sein, hat mit Handel geschätzte 75 Milliarden US-Dollar verdient - und beherrscht den Mobilfunk- und Internetmarkt Mexikos. Carlos Slim tritt kaum öffentlich auf und doch ist er überall präsent: Ob Restaurants, Maut-Autobahnen, Krankenhäuser, Zigaretten oder Bankgeschäfte - überall verdient er mit.
22.02.2011
Von Matthias Knecht

In Mexiko wird der Multimilliardär respektvoll als "Ingeniero" angesprochen. Auf Carlos Slim passt die Bezeichnung Ingenieur perfekt. Auswendig sprudelt der 71-Jährige die Zahlen seiner vier Holdinggesellschaften heraus, überschlägt im Kopf mal eben die Wachstumsraten und Marktanteile, wahlweise in Dollar oder Peso. Slim ist nach der Liste des US-Magazins "Forbes" der reichste Mann der Welt.

Er will Lateinamerika ins digitale Zeitalter stoßen, kommt aber selbst ohne Computer aus. Nicht einmal Internetzugang gibt es im Saal seiner Finanzfirma Inbursa, wo Slim eine seiner seltenen Pressekonferenzen abhält. Mit nur einem zerfledderten Notizbuch erläutert er, wo er in diesem Jahr 8,3 Milliarden Dollar investiert.

Schon mit 18 Jahren Millionär

Der Ingenieur ist sein eigener Computer. Täglich studiert Slim bis spät in die Nacht Unternehmenszahlen. So erwischt er immer den Moment, um zu kaufen oder zu verkaufen, zu fusionieren oder abzuspalten. Schon mit 18 Jahren hatte sich der Sohn eines Kaufmanns zum Millionär spekuliert.

Jetzt spielt er in einer anderen Liga. Allein im Januar erhöhte der verwitwete Vater von sechs Kindern seinen Reichtum um weitere sieben Milliarden Dollar. Da spaltete er den Bergbaukonzern Frisco von seiner Holding Carso ab, als die Edelmetallpreise anzogen. Mexikos Börse jubelte. Ein Drittel der dort gehandelten Werte sind Papiere von Slim-Unternehmen.

Der beleibte, grauhaarige Herr mit dem markanten Doppelkinn und den stechenden dunklen Augen tritt kaum öffentlich auf. Und doch ist er in Mexiko überall präsent - über seine Produkte und Dienstleistungen. Ob Restaurants, Maut-Autobahnen, Krankenhäuser, Pensionskassen, Zigaretten, Telefondienste oder Bankgeschäfte - überall verdient er mit.

Finanzgenie mit libanesischen Wurzeln

Es ist nicht nur sein Finanzgenie, das Slim auszeichnet, sondern auch sein Stil: Der in Mexikos Oberschicht gern zelebrierte Prunk ist ihm fremd. Slim trägt Anzüge von der Stange statt edles Designer-Tuch. Er stammt aus einer maronitisch-katholischen Familie im Libanon. Sein Vater war nach Mexiko ausgewandert. Zwar hat man den ursprünglichen Name Salem in Slim mexikanisiert. Doch die libanesischen Werte blieben: Viel Arbeit, Bescheidenheit und eine Familie, die zusammenhält wie Pech und Schwefel. Slims Söhne und Schwiegersöhne führen seine wichtigsten Firmen.

"Forbes" bezifferte Slims Vermögen im vergangenen Jahr auf 53,5 Milliarden US-Dollar. Inzwischen dürften es 74,5 Milliarden sein, schätzen Analysten. Damit lässt er die früheren Spitzenreiter Bill Gates und Warren Buffett weit hinter sich. In Mexiko, wo 40 Prozent der 112 Millionen Einwohner in Armut leben, stößt sein immenser Reichtum auch auf Unmut. Slim lässt sich nicht beirren. Als Gates und Buffett vorschlugen, die Hälfte ihres Reichtums zu spenden, entgegnete er: "Wohltätigkeit löst nichts. Die einzige Form, Armut zu bekämpfen, ist Arbeitsplätze zu schaffen."

In deutlich geringerem Maß als Gates unterhält auch Slim Stiftungen, mit insgesamt sieben Milliarden US-Dollar Kapital. Sie investieren vor allem in computergestützte Bildung. So will Slim eine digitale Universität gründen und Mexiko-Stadt ein Kunstmuseum stiften.

Kontrolle über 90 Prozent der Telefonanschlüsse in Mexiko

Doch Kritiker werfen Slim vor, dass er nur einen Bruchteil dessen zurückgibt, was er über Oligopole und Monopole verdient. Paradebeispiel ist das Telefongeschäft. Slim kontrolliert 90 Prozent aller Festnetzanschlüsse in Mexiko, nachdem er den einstigen Staatsmonopolisten Telmex zum Schnäppchenpreis erworben hat. Er beherrscht auch den Mobilfunk- und Internetmarkt, wo deutlich höhere Preise verlangt werden als in Industriestaaten.

Slims Goldesel ist der Mobilfunkkonzern América Móvil, der das Geschäft in ganz Lateinamerika kontrolliert. Von Europa mit seinem strengen Wettbewerbsrecht und Verbraucherschutz hält sich Slim fern. Und in den USA hat er nur wenige Investments, darunter eine verlustreiche Beteiligung an der darbenden Tageszeitung "New York Times".

Der US-Politologe George W. Grayson geht hart mit dem Ingenieur ins Gericht. Slim sei "eine von einem Dutzend fetter Katzen, die das Wachstum Mexikos verhindern, weil sie Monopole und Oligopole kontrollieren". Wettbewerb werde verhindert, mexikanische Unternehmen seien deshalb ineffizient.

Solche Kritik ist allerdings selten. Slim droht kritischen Medien mit dem Entzug von Anzeigen, und viele seiner Landsleute bewundern ihn einfach. Typisches Beispiel ist der Finanzjournalist Carlos Mota. "Slim hat nach den mexikanischen Regeln gespielt und er hat triumphiert", sagt er.

epd