Ein Literatur-Nobelpreisträger sucht einen Verlag

Ein Literatur-Nobelpreisträger sucht einen Verlag
Der peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa, der vor wenigen Wochen den Literatur-Nobelpreis erhielt, befindet sich derzeit in einer misslichen Lage: Er steht ohne deutschen Verlag da. Kein Ruhmesblatt für die hiesige Buchbranche.
18.02.2011
Von Nada Weigelt

Ist es ein Eifersuchtsdrama, enttäuschte Liebe oder knallhartes Geschäft? Die überraschende Entscheidung des Rowohlt Verlags, den neuen Roman von Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa nun doch nicht zu verlegen, hat in der Buchbranche Rätselraten ausgelöst. Denn noch im November war das Reinbeker Haus stolz, den langjährigen peruanischen Vorzeigeautor des Konkurrenten Suhrkamp abgeworben zu haben. Jetzt ließ Rowohlt-Verleger Alexander Fest dessen neues Buch "Der Traum des Kelten" fallen wie eine heiße Kartoffel.

Trotz des beispiellosen Tauziehens will Suhrkamp nun wieder in die Bresche springen. "Vargas Llosa ist unser Autor. Wann immer er kommt, ist unser Haus für ihn offen", sagte Pressesprecherin Tanja Postpischil. "Wir wollten das Buch zu jedem Zeitpunkt, daran hat sich nichts geändert." Unter welchen Bedingungen das geht, ist allerdings völlig offen. Denn mittlerweile ist auf allen Seiten reichlich Porzellan zerschlagen. Beobachter vermuten, dass die öffentlichen Treuebekundungen Vargas Llosas zu seinem angestammten Verlag den Rowohlt-Chef gründlich verärgert haben. "Kein Bräutigam hört gern Treueschwüre an den früheren Lebensgefährten", so eine Branchenfrau.

Die Entscheidung seiner Agentin?

Vargas Llosa hatte nach dem Wirbel um seinen Verlagswechsel ("Eine Katastrophe für Suhrkamp") im vergangenen November der Suhrkamp-Chefin Ulla Berkéwicz in einem Brief seine Verbundenheit bekundet. "Du bist meine Verlegerin jetzt wie zuvor", schrieb der 74-Jährige. Er habe sich nur nicht in die Entscheidung seiner Agentin Carmen Balcells einmischen wollen. "Ich hoffe, dass Suhrkamp mich weiter verlegt und dass dies eine vorübergehende Episode bleibt."

Rowohlt machte jetzt einen interessanten Zeitablauf publik. Danach soll die Entscheidung zum Verlagswechsel bereits im vergangenen August nach einem Treffen mit Verleger Fest gefallen sein. Erst danach erkannte die Schwedische Akademie dem Autor die höchste Ehre des Literatenlebens zu. "Nach dem Nobelpreis scheint Mario Vargas Llosa die Dinge anders bewertet zu haben", so die kurze Mitteilung aus Reinbek. "Rowohlt konnte sich zuletzt nicht mehr entschließen, die Zusammenarbeit noch zu beginnen."

Übersetzung fast abgeschlossen

Aber warum reagierte Fest dann nicht gleich, sondern erst ein Vierteljahr später? Hat das mit der Qualität des Werkes zu tun? Wird es rechtliche Konsequenzen geben? Lauter offene Fragen. Nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ist die Übersetzung inzwischen fast abgeschlossen, das Buch sollte im Herbst erscheinen. Vargas Llosas spanische Agentur Carmen Balcells hüllte sich am Freitag zunächst in Schweigen, auch Rowohlt wollte keine weiteren Erklärungen abgeben.

Bei Suhrkamp am neuen Verlagssitz Berlin war dagegen die Erleichterung mit Händen zu greifen. Das renommierte Haus hatte schon in der Vergangenheit - wenngleich aus anderen Gründen - einige renommierte Autoren verloren - etwa Martin Walser, Adolf Muschg und Norbert Gstrein. Und dass ein Literaturnobelpreis ein besonderer Lesermagnet ist, konnte das Haus trotz des ganzen Hickhacks feststellen: Seit der Vergabe der Ehrung sind bereits eine halbe Million "alte" Bücher von Vargas Llosa verkauft worden.

dpa