Junger Moslem: "Kann sein, dass ich exotisch erscheine"

Junger Moslem: "Kann sein, dass ich exotisch erscheine"
Am Wochenende findet in Berlin die Junge Islam Konferenz statt. 40 junge Erwachsene aus Nordrhein-Westfalen und Berlin schlüpfen in die Rolle von Vertretern des Staates und der Muslime in Deutschland, um zu schauen, wie Politik der Verständigung im Großen abläuft. Einer von ihnen ist Orgun Özcan.
17.02.2011
Von Maike Freund

Bevor Orgun Özcan antwortet, entsteht immer eine Pause. Es liegt nicht daran, dass er sich nicht ausdrücken kann. Oder weil er Angst hätte, seine Meinung zu sagen. Nein, das ist es nicht. Es ist, als würde Orgun Özcan die Worte zurückhalten, erst einmal auf ihren Wahrheitsgehalt testen, bevor er sie ausspricht. Er reflektiert, bevor er etwas sagt. Er will keine Antworten geben, nur um etwas zu sagen, sondern es auch so meinen. Orgun Özcan ist 22 Jahre alt, kommt aus Herne, studiert in Marburg Psychologie.

Am kommenden Wochenende wird er auf der Jungen Islam Konferenz in die Rolle des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) schlüpfen. Das ist Teil des Spiels auf der Konferenz, das jungen Erwachsenen die politische Diskussion um den Islam näher bringen will. Weil die Themen und die Arbeit der Deutschen Islam Konferenz (DIK) zu wenigen jungen Muslimen ein Begriff ist, wurde die kleine Schwester, die Junge Islam Konferenz, ins Leben gerufen. Sie ist ein Projekt der Stiftung Mercator in Kooperation mit der Humboldt-Universität zu Berlin.

40 junge Menschen mit und ohne Migrationshintergrund zwischen 17 und 23 Jahren wurden an einem Wochenende mit einem Workshop in die Arbeit und die Themen der DIK eingearbeitet. Am kommenden Wochenende wollen sie in den Rollenspielen verschiedene Meinungen, Erfahrungen und Ideen einbringen - auch ihre eigenen. 

„Verständnis und Sympathie sind in greifbarer Nähe“, sagt Orgun Özcan. Deshalb glaubt er, dass es in der Zukunft eine Wende geben wird. Dass Normalität einkehren wird, wenn es um die Wahrnehmung des Islams geht. Auch wenn das ein Stück Arbeit bedeute. Warum das so kommen wird? Viele muslimische Bildungsinländer würden die Frage nach Integration gar nicht mehr stellen, sagt er. Für sie, und dazu zählt er sich auch, sei es in Zeiten der Globalisierung völlig normal und auch erstrebenswert, mehrere Kulturen in sich zu tragen.

Herr Özcan, Sie werden bei der Jungen Islam Konferenz also Volker Bouffier verkörpern. Gibt es Gemeinsamkeiten in Ihren Ansichten?

Orgun Özcan: Ehrlich gesagt habe ich mich noch nicht im Detail vorbereitet, weil ich noch im Prüfungsstress bin. Aber ich glaube, dass sich schon Unterschiede ergeben werden. Denn als Politiker ist man natürlich auch der Parteirichtung verpflichtet. Mir ist jedenfalls aufgefallen, dass die Ansichten und Absichten unterschiedlich sein, am Ende aber doch ähnliche Entscheidungen gefasst werden können. Oft unterscheiden diese sich dann in wichtigen Nuancen. Auf der Konferenz geht es aber nicht nur um die Meinung der offiziellen Vertreter, sondern auch um unsere eigene. Also um den Perspektivwechsel, der beide Sichtweisen verstehen lassen soll. Ich glaube, dass ich eine größere Sensibilität für bestimmte Themen mitbringe, weil ich Muslim bin und meine Eltern aus der Türkei kommen, ich bringe also andere Erfahrungen mit.

Warum haben Sie sich bei dem Projekt beworben?

Orgun Özcan: Mir ist es wichtig, dass der Unterschied zwischen Glaube und Integration klar wird. Ich bin ein religiöser Mensch, Religion hat eine große Bedeutung für mich, aber ich habe das Gefühl, dass Migrationsprobleme und Religiosität oft im Zusammenhang gesehen werden, obwohl das nicht der Fall sein muss. Ich glaube auch, dass der Islam von den Medien verzerrt dargestellt wird. Also sehe ich die Konferenz als Chance, das zu sagen, was ich als junger Mensch für Probleme in Bezug auf den Islam sehe.

Wie stellen die Medien den Islam dar?

Orgun Özcan: (Pause) Viele Muslime fühlen sich unwohl bei der Berichterstattung, das geht mir so, das berichten auch Freunde, weil oft falsche Zusammenhänge hergestellt werden. (Pause) Geht es beispielsweise um Jugendkriminalität, kann es vorkommen, dass die Ursachen in der Religion gesehen werden. Dann wird schnell von solchen Fällen auf alle Muslime geschlossen. Soziale Probleme, die es natürlich im Migrantenmillieu gibt, hängen aber nicht unweigerlich mit der Religion zusammen.

Erleben Sie denn in ihrem Alltag, dass Sie auf Vorurteile stoßen?

Orgun Özcan: Ich bin Muslim, das bedeutet: Ich glaube an einen Schöpfer und versuche, meine Beziehung zu ihm so lebendig und so nah wie möglich zu gestalten. Wenn ich beten möchte, muss ich vorher die Waschung vollziehen. Da kann es passieren, dass ich exotisch erscheine, so mitten im Unialltag.

Ist das nervig, als Exot zu gelten?

Orgun Özcan: (lacht) Klar, weil es immer den Unterschied hervorhebt. (Pause) Exotisch heißt auch immer fremd, anders. Und dieser wahrnehmbare Unterschied führt zu den typischen Gruppenzuweisungen und verursacht eine gewisse Distanz.

Wie müsste es denn im Idealfall ablaufen, damit diese Distanz nicht mehr Teil Ihres Lebens wäre?

Orgun Özcan: (Pause) Im Idealfall gäbe es mehr Sensibilität und Verständnis. Und das Wissen, dass Muslime ihre Religion aus Überzeugung und aus Liebe zum Schöpfer ausleben. Damit dieses Verständnis für den Islam wachsen kann, müsste es einfach mehr Kontakte zwischen muslimischen und nicht-muslimischen Bürgern geben. Ich hoffe, dass dazu auch die Konferenz beiträgt.

Und wie wirkt sich das aus?

Orgun Özcan: (lacht) Meine Genauigkeit, dass ich kritisch bin und vieles hinterfrage, fällt meinen deutschen Wurzeln zu. Wenn es ums Zwischenmenschliche geht, dann ist es das Türkische, das in mir durchkommt.