Flüchtlingsdrama in Lampedusa entfacht neuen Asylstreit

Flüchtlingsdrama in Lampedusa entfacht neuen Asylstreit
Das Flüchtlingsdrama auf der Mittelmeer-Insel Lampedusa beschäftigt jetzt auch die deutsche Politik. Die Opposition verlangt, nach der Revolution in Tunesien den Bootsflüchtlingen auch hierzulande Asyl zu bieten. Doch die Kanzlerin bleibt bei ihrer harten Linie.
15.02.2011
Von Bettina Grachtrup und Christoph Sator

Es sind menschliche Tragödien, die sich derzeit vor der Küste Italiens abspielen: Tausende Flüchtlinge aus Tunesien versuchen, über die Insel Lampedusa in die EU zu gelangen. Von dort wollen die meisten weiter aufs italienische Festland oder nach Frankreich. Deutschland ist kaum gefragt. Trotzdem debattiert jetzt auch die deutsche Politik, wie sehr man nach der "Jasmin-Revolution" gegenüber Tunesien in der Pflicht ist.

Die reinen Zahlen bieten bislang kaum Grund zur Aufregung. Alles in allem stellten im vergangenen Jahr nur 94 Tunesier in Deutschland einen Antrag auf Asyl. Im Januar waren es 14. Im Vergleich mit anderen Herkunftsländern lag das nordafrikanische Land damit weit hinten auf Platz 34.

Die Opposition fordert nun, die Länder im Süden der Europäischen Union mit den Flüchtlingsstrom nicht alleinzulassen und Asylbewerber gerechter auf alle EU-Staaten zu verteilen. Die Bundesregierung sieht dagegen keinen Anlass, etwas am bisherigen Verfahren zu ändern. Danach müssen sich jene Staaten um die Asylbewerber kümmern, in denen sie landen. Und die CSU findet ohnehin, dass es für Menschen aus Tunesien nun keinen Grund mehr für Asyl gibt.

"Es muss Sanktionen geben"

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zurrte die Position der Bundesregierung schnell fest. Natürlich könnten jetzt "nicht alle Menschen, die in Tunesien nicht sein wollen, nach Europa kommen". Auf dem Europäischen Polizeikongress in Berlin schob Innen-Staatssekretär Ole Schröder (CDU) am Dienstag hinterher: "Wir sind gegen einen Aufteilungsmechanismus von Flüchtlingen auf die Mitgliedsstaaten."

Schröder sieht den Süden der EU in der Pflicht. "Als allererstes müssen die EU-Mitgliedsstaaten ihre ureigenste nationale Verantwortung wahrnehmen. Man kann auch nicht jedes Problem auf Europa abwälzen." Der innenpolitische Sprecher der Union, Hans-Peter Uhl (CSU), forderte notfalls sogar Strafen. "Wenn ein Mitgliedsstaat alle Augen zudrückt und Flüchtlinge massenhaft in andere Länder weiterreisen lässt, muss es Sanktionen geben."

Die Opposition wirft der Bundesregierung Doppelmoral vor, weil den Bekenntnissen zur tunesischen Demokratie keine echte Hilfe folge. "Der Norden darf den Süden nicht alleine lassen", verlangt Grünen-Chef Cem Özdemir. Der SPD-Innenexperte Sebastian Edathy will als Zeichen der Solidarität ein "gewisses Kontingent an berechtigten Asylbewerbern aus Afrika" aufnehmen. Die EU-Innenminister sollten nächste Woche bereits über eine europäische Quotenregelung beraten. Auf Zahlen legte sich niemand fest.

Unterstützung für Tunesien wollen alle

Einig sind sich die Parteien immerhin darin, dass Tunesien - wo die arabische Demokratiebewegung ihren Ausgang nahm - besonders unterstützt werden soll. "Die beste Antwort auf Flüchtlingsströme ist, dafür zu sorgen, dass die Menschen nicht aus Not und Armut das eigene Land verlassen", sagt Außenminister Guido Westerwelle. Der FDP-Chef versprach bereits drei Millionen Euro für einen "Demokratieförderfonds". Das Geld ist aber nicht für Tunesien allein gedacht, sondern für das gesamte Nordafrika.

Darüber hinaus wird in Berlin an einem größeren Paket gearbeitet. Neben Programmen zur Stärkung der Demokratie soll dazu vor allem wirtschaftliche Unterstützung gehören. Dankbar wären die Tunesier vor allem für eine Lockerung der Zollbestimmungen. Bislang schottet sich die EU zum Beispiel gegen die Einfuhr von Obst und Gemüse ab. Wichtig wäre auch, dass der Tourismus wieder in Gang kommt.

Die Konzepte sollen im März vorliegen, wenn in Tunis eine internationale Geberkonferenz stattfindet. Der ehemalige SPD-Staatsminister im Auswärtigen Amt, Günter Gloser, will dann für eine Übergangszeit auch den europäischen Arbeitsmarkt für Tunesier öffnen.

dpa