Thomas Gottschalk und die Stunde des Abschieds

Thomas Gottschalk und die Stunde des Abschieds
Thomas Gottschalk hat bekannt gegeben, dass er bei "Wetten, dass..?" aufhört. Es ist der perfekte Zeitpunkt für seinen Abschied. Für das Fernsehen ist es ein Verlust.
12.02.2011
Von Henrik Schmitz

Nein, es war kein Marketinggag. Thomas Gottschalk hat sein Ende bei "Wetten, dass..?" erklärt. Im Sommer wird Schluss sein, weil "Schluss mit lustig" sei, so der Fernsehmoderator. Der Unfall von Samuel Koch hat Gottschalk schwer belastet. Das Leben des jungen Mannes werde ein anderes als geplant. Seine Hoffnung, dass sich Koch schnell erhole, habe sich nicht erfüllt, sagte Gottschalk und fügte hinzu, auf der Sendung liege nun ein Schatten.

Auch wenn der Grund für Gottschlak Abgang nun ein trauriger ist, so ist der Zeitpunkt doch perfekt gewählt. Gottschalk ist 61 Jahre alt, seit 1987 hat er – mit kurzer Unterbrechung 1992/93- die Sendung, die inzwischen 30 Jahre auf dem Buckel hat, moderiert. Gottschalk hat alles erreicht, was man im Fernsehen erreichen kann. Er kann erhobenen Hauptes gehen und von sich sagen, abgetreten sein, als er noch oben war. Anders also, als so manche Politiker aber auch alte Fernsehhasen, die quasi vom Hof gejagt werden und wurden. Noch ist Gottschalk der Quotenkönig im deutschen TV. Und wenn er nun, unter dem Eindruck des Unfalls von Samuel Koch aufhört, weil er meint, dass er "Wetten, dass..?" nicht mehr unbefangen moderieren kann, so hat jeder vor dieser Entscheidung Respekt. Es ist eine eigenständige, sehr private Entscheidung und keine Flucht vor der größer werdenden Konkurrenz - vor allem durch das private Fernsehen.

Zeit vorbei

Denn auch Gottschalk spürt womöglich, dass seine größte Zeit vorbei ist. Dass "Wetten, dass..?" die einzig verbliebene große Samstagabendshow im deutschen Fernsehen ist, ist allein ihm zu verdanken. Die Rudi Carells, Elstners, Kurt Felixe, Frankenfelds und Kuhlenkampfs hat er alle überlebt, viele sogar übertroffen. Aber die Konkurrenz lauert, das Fernsehpublikum hat sich gewandelt. Es wohl nur eine Frage der Zeit, bis ein Dieter Bohlen mit seinem "Deutschland sucht den Superstar" Gottschalk in der Publikumsgunst überholen wird. Eine Sendung, die darauf beruht, dass mäßig talentierte Menschen zu Stars gehypet werde, nur um sie kurze Zeit später wieder fallen zu lassen.

Und eine Sendung der das fehlt, was Gottschalk immer hatte und ausgezeichnet hat: Der Respekt vor den Kandidaten. Es wäre nur zu gut verständlich, wenn Gottschalk das nicht mehr erleben möchte. "Die Fernsehunterhaltung ist auf dem Weg zum reinen Klamauk. Irgendwann muss man sich entweder von seinem Hirn verabschieden oder von seinem Beruf", hat Gottschalk einmal gesagt. Vielleicht will er sein Hirn nicht abschalten.

Für das deutsche Fernsehen, ganz besonders für das ZDF, ist Gottschalks Abgang ein herber Verlust. Klar: "Wetten, dass..?" ist in weiten Teilen zu einer Promosendung für mehr oder minder bekannte Stars, diverse Automarken und Oberbürgermeister mittelgroßer deutscher Städte mutiert. Und Gottschalks Altherrenwitz zündet nicht immer, ganz besonders selten bei den Kritikern des Feuilletons. Aber für die hat Gottschalk nie TV gemacht. Seine Zielgruppe ist Lieschen Müller, ihr Mann, ihre Kinder und ihre Eltern. Und bei denen hat er immer noch Erfolg. In guten Momenten ist Gottschalk immer noch der beste Entertainer im deutschen TV – vor Stefan Raab, dessen Sendung "Schlag den Raab" die vielleicht modernere Variante von "Wetten, dass..?" ist.

Gottschalks Genie

Gottschalks Genie blitze zum Beispiel auf, als Marcel Reich-Ranicki für einen Eklat beim von Gottschalk moderierten Deutschen Fernsehpreis sorgte. Als Gottschalk bei der Sendung den Schauspieler Edgar Selge von der Bühne verabschiedete, bat er diesen, seinem Schwiegervater – Martin Walser – herzliche Grüße auszurichten. Er, Gottsachalk, habe Walsers "Tod eines Kritikers" sehr gern gelesen. Überhaupt ist Gottschalk der Mann fürs Spontane. Wenn irgendetwas nicht geplant ist, läuft er mit seinen berühmten Gottschalk-Sprüchen zur Hochform auf. Einzig unter dem Eindruck des Unfalls von Samuel Koch wusste auch Gottschalk nicht weiter, war er erschüttert und verzweifelt und vielleicht zum ersten Mal wirklich froh darüber, dass er Michelle Hunziker an seine Seite hat. Die Erschütterung sitzt so tief, dass er nun aufhört.

Die Sendung "Wetten, dass..?" wird es ohne Gottschalk sehr schwer haben. Selbst ein Hape Kerkeling kann Sendung wohl nicht retten und ganz sicher kein Jörg Pilawa. "Wetten, dass..?" ist so eins mit Gottschalk, wie die Sendung mit ihrem Erfinder Frank Elstner niemals war. "Wetten, dass..?" ist sein Format - Ausflüge in das Late-Night-Genre oder andere Projekte waren bei weitem nicht so erfolgreich. Aber auch "Wetten, dass..?" nicht ohne Gottschalk.

Mit Schaudern erinnern sich die Zuschauer noch an das Moderatoren-Gastspiel von Wolfgang Lippert, der nicht ins Format passte. Mit Gottschalk geht wohl auch die letzte große Samstagabendshow im deutschen TV. Das letzte Kaminfeuer, an dem sich ohnehin schon nicht mehr alle wärmten, verglimmt. Ein Quotengarant geht dem ZDF verloren und dem Fernsehzuschauer ein Mann, der unterhalten konnte, ohne andere dabei fertig zu machen.

Das ist sehr schade. Gottschalk aber sei es gegönnt, daheim die Kopfhörer aufzusetzen, AC/DC zu hören oder mit einer Harley Davidson und seiner Frau Thea auf dem Rücksitz die Route 66 entlang zu fahren. Die Frage "Was zieht er diesmal an", die jahrelang durchaus Thema in deutschen Wohnzimmern diskutiert wurde, stellt sich künftig nur noch bei den von Gottschalk gern besuchten "Bayreuther Festspielen". Heute Abend ist der Anfang vom Ende einer Ära im deutschen TV. Das Publikum wird Gottschalk vermissen. Vielen Dank, Tommy, für viele schöne Fernsehmomente!


Henrik Schmitz ist Redakteur bei evangelisch.de

Der Artikel ist eine aktualisierte Version.