Kinder in Social Networks brauchen Anleitung

Kinder in Social Networks brauchen Anleitung
Die zwölfjährige Lara sitzt am Computer und chattet bei knuddels.de. "Minima10 gibt Cybergirl 90 einen leidenschaftlichen Zungenkuss", erscheint gerade als neuer Eintrag auf dem Bildschirm. "Ich hab schon 863 Knutschflecke gesammelt", ruft Lara ihrer Freundin Sandrina zu, die fünf Meter entfernt an einem anderen Computer sitzt und ebenfalls chattet. Ob knuddels.de, Schüler-VZ, My Space, wer-kennt-wen oder facebook - auch die ganz jungen Internetnutzer sind in Social Networks aktiv. An den Schutz ihrer persönlichen Daten denken sie dabei jedoch wenig.
12.01.2011
Von Sarah Salin

Lara weiß allerdings ganz genau, dass sie sich mit niemandem treffen darf, den sie bloß aus Chatrooms kennt und außerdem im Netz keine privaten Daten verraten soll. Das haben ihre Eltern ihr damals erklärt, als sie anfing, mit neun Jahren bei knuddels.de zu surfen. Denn klar, manchmal werde sie dort auch von Fremden angeschrieben, erzählt sie.

Wie die aktuelle JIM-Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest belegt, verbringen Teenager 138 Minuten am Tag im Netz. Gerade Soziale Netzwerke, also virtuelle Foren, in denen kommuniziert wird, haben denmach eine starke Anziehungskraft. Jeder Zweite zwischen zwölf und 19 Jahren loggt sich jeden Tag in seiner Online-Community ein; die meisten von ihnen tun dies mehrmals täglich.

Leichtsinniger Umgang mit Daten

"Schon Kinder entwickeln hier immer größere Kompetenzen", sagt Meike Ullrich von der Medieninitiative "schau-hin": Grundsätzlich sei dies erst einmal positiv. Viele Jugendliche sind in der Lage, selbstständig eigene Accounts zu erstellen, Profile über sich selbst anzulegen, Fotos hochzuladen und selbst gedrehte Videos zu veröffentlichen.

Allerdings belegen mehrere Studien auch, dass der Umgang von Teenagern mit persönlichen Daten im Netz häufig naiv und leichtsinnig ist - gerade in den Social Networks. Zwei Drittel der jugendlichen Online-User haben laut der JIM-Studie Fotos oder Filme von sich ins Netz gestellt, jeder Vierte hat dort Kontaktdaten veröffentlicht.

Lara erzählt eine Geschichte von einem Foto, das sie im Bikini zeigt und das ungewollt in Schüler-VZ auftauchte. Ein Bekannter von ihr hatte es einfach reingestellt und es mit ihrem Namen gekennzeichnet. "Und jeder kann sich das dann angucken und privat zu Hause auf seinen PC ziehen", regt sie sich auf: "Ich hab es aber schnell gelöscht." Doch auch wenn die Verlinkung zu ihrem Namen oder das ganze Foto gelöscht wurde - keiner weiß genau, wer das Bild vorher schon entdeckt und auf seinem Rechner gespeichert hat.

Einstellungen überprüfen

Benjamin Gardt vom Medienkompetenzzentrum des Verbands für sozial-kulturelle Arbeit in Berlin warnt: "Jeder sollte sich darüber Gedanken machen, welche Daten er von sich preisgibt. Das Internet vergisst nicht." Gardt geht in Schulen und gibt Workshops zu dem Thema. Seiner Erfahrung nach denken gerade die ganz jungen Kinder von nicht einmal zehn Jahren kaum darüber nach. "Dann werden schnell Fotos veröffentlicht, die nicht unbedingt ins Internet gehören."

Doch haben viele Jugendliche laut der JIM-Studie inzwischen dazu gelernt: Die Bereitschaft, persönliche Daten im Internet zu verbreiten, ist gegenüber dem Vorjahr rückläufig. Zudem verwenden inzwischen zwei Drittel der Jugendlichen sogenannte "Privacy-Optionen". Diese Konfigurationsmöglichkeiten machen Daten nur für einen begrenzten Personenkreis sichtbar.

Meike Ullrich von "schau-hin" verweist auf eine ganz aktuelle europäische Medienstudie, die belegt, dass deutsche Kinder im Vergleich zu Kindern anderer Nationalitäten ein stärkeres Bewusstsein für Datenschutz haben. "Das liegt bestimmt auch an den großen Debatten in den Medien hierüber", sagt Ullrich. Außerdem seien junge Eltern oft sehr fit im Netz und könnten ihre Kinder gut anleiten "Strenge Verbote bringen hier gar nichts." Kinder müssten lernen, sich selbst zu schützen. Schließlich lasse sich kein Teenager beim Surfen über die Schulter gucken.

Internet: www.schau-hin.info

epd