"Tagesschau": 20.000 Mal hat es "Dong" gemacht

"Tagesschau": 20.000 Mal hat es "Dong" gemacht
An Silvester flimmert die 20.000. Ausgabe der ältesten deutschen Nachrichtensendung über den Bildschirm. Der "Dong" ist geblieben, ansonsten hat sich viel verändert.
28.12.2010
Von Cornelia Wystrichowski

Seriös, sachlich und auf beruhigende Weise altmodisch: Die "Tagesschau" ist die beliebteste und älteste Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen – jetzt feiert das ARD-Flaggschiff Jubiläum. An Silvester läuft die zwanzigtausendste Ausgabe der 20-Uhr-Nachrichten, und der zuständige NDR-Intendant Lutz Marmor jubelt: "Die Tagesschau ist die Mutter aller Nachrichtensendungen – ein Klassiker, der bis heute Maßstäbe setzt." Auch die vorläufige Jahresbilanz ist ein Grund zur Freude. Hatten 2009 durchschnittlich 8,86 Millionen Zuschauer die Hauptausgabe des Fernsehklassikers verfolgt, waren es in diesem Jahr knapp über neun Millionen. Zum Vergleich: 3,92 Millionen Zuschauer schalteten im selben Zeitraum die 19-Uhr-Ausgabe von "heute" im ZDF ein, 3,86 Millionen sahen "RTL aktuell" um 18.45 Uhr.

Die erste "Tagesschau" flimmerte am 26. Dezember 1952 über die damals noch wenigen Bildschirme, nur einen Tag nach dem Start des Nachkriegsfernsehens in der Bundesrepublik. Unter anderem gab es bei der Premiere Beiträge über die Rückkehr des amerikanischen Präsidenten Eisenhower aus Korea, das Fußballspiel Bundesrepublik Deutschland gegen Jugoslawien (3:2) und eine Eisrevue. In den ersten Jahren war nur dreimal die Woche "Tagesschau"-Zeit, seit 1961 gibt es sie täglich. Mittlerweile hat die 20-Uhr-Ausgabe, die zeitgleich im Ersten, in den Dritten Programmen, auf 3sat und Phoenix ausgestrahlt wird, über den ganzen Tag verstreute Ableger bekommen. Im Internet steht zudem eine 100-Sekunden-Variante der "Tagesschau" rund um die Uhr zur Verfügung.

Erst seit 1959 im Bild

In der Anfangszeit der "Tagesschau" war zu den Nachrichtenfilmen nur die Stimme des Sprechers zu hören. Seit 1959 ist er auch im Bild zu sehen – und die Sprecher sind populärer als mancher Schauspieler. Chefsprecher ist seit 2004 Jan Hofer, außerdem verlesen unter anderem Ellen Arnhold, Jens Riewa, Susanne Daubner, Marc Bator und Judith Rakers die Meldungen. Hinter den Kulissen sorgt die rund 240 Mitarbeiter starke Gemeinschaftsredaktion ARD-aktuell in Hamburg für den mehr oder weniger reibungslosen Ablauf der "Tagesschau" und anderer Nachrichtensendungen.

Aber natürlich gab es in 20.000 Ausgaben auch mal Pannen – wie jene 2009, als der damalige Bundespräsident Horst Köhler in einer Einblendung zu "Klaus Köhler" wurde. Diverse Versprecher bewiesen zudem im Lauf der Jahrzehnte, dass "Tagesschau"-Sprecher auch nur Menschen sind. So machte der erste Amtsinhaber Karl-Heinz Köpcke aus Willy Brandt (von 1966 bis 1969 Außenminister) einen "Bundesaußenseiter". Unvergessen ist auch der Lachanfall von Dagmar Berghoff, die sich 1976 als erste Frau auf den Sprecherstuhl der "Tagesschau" setzen durfte. Bei einer Meldung über einen Sieg von Boris Becker machte sie aus dem WTC-Turnier ein WC-Turnier und hangelte sich danach glucksend durch den Rest der Sendung.

Lieber kein Gurkenlaster

Abgesehen von derlei Heiterkeitsausbrüchen ist die "Tagesschau" stocknüchtern, was ihrem Erfolg aber keinen Abbruch tut. Umfragen zeigen: Gerade der offiziöse Charakter mit dem ritualisierten Ablauf vom Anfangsgong bis zur Wettervorhersage am Ende macht die Sendung in den Augen des Publikums glaubwürdiger als manches flockige Konkurrenzformat. Nur logisch, dass es einen Sturm der Entrüstung gab, als sich das Nachrichtenhochamt 2004 dazu hinreißen ließ, über den Gurkenlaster-Unfall des damaligen Popstars Daniel Küblböck zu berichten. So etwas, finden die Zuschauer, ist unter der Würde der guten alten Nachrichtentante.


 


Cornelia Wystrichowski ist freie Journalistin in Berlin