"An Weihnachten entzündet sich oft der Streit ums Kind"

"An Weihnachten entzündet sich oft der Streit ums Kind"
Weihnachten ohne Kinder feiern? Für geschiedene Eltern ist dies oft eine jährliche, bittere Realität. "An Weihnachten entzündet sich oft der Streit ums Kind", sagt Heike Lamadé, Rechtsanwältin und Mediatorin für Sorgerechtsstreitigkeiten. Das Familienfest sei emotional sehr aufgeladen, so dass Eltern auf ihr Umgangsrecht nicht verzichten wollten. "Feiert das Kind bei dem Ex-Partner, treten oft Verlustängste oder Eifersucht auf", sagt Lamadé.
22.12.2010
Von Frank Leth

Der Kampf ums Kind wird nicht selten jahrelang vor Gericht ausgetragen. "Die Kinder leiden bei solchen Verfahren sehr", weiß Lamadé. Dabei könnten meist alle Beteiligten von einer Einigung profitieren. Hier hilft die sogenannte Mediation. Bei diesem Verfahren wird versucht, Konflikte mit Hilfe eines Dritten konstruktiv beizulegen. "Können sich die getrennt lebenden Eltern nicht über das Umgangsrecht mit dem Kind einigen, vermittelt die neutrale Mediatorin zwischen den einzelnen Parteien und versucht, eine Lösung für die bestehenden Konflikte zu finden", sagt Lamadé.

Manchmal regt ein Richter eine Mediation an, oft kommen die Eltern auch von alleine. "Formal ist die Mediation freiwillig. Tatsächlich kommen Eltern aber, weil sie einen sehr großen Druck verspüren, den Streit ums Kind zu lösen", sagt Lamadé.

Das war auch bei der 35-jährigen Sabine S. aus Mannheim so. 2009 hatte sie sich von ihrem türkischen Mann scheiden lassen. Als dieser die viereinhalbjährige Tochter für einige Wochen in die Türkei zu seiner Familie mitnehmen wollte, sperrte sich die Frau. Das Kind sei in der Türkei nicht richtig versorgt, es sei zu heiß und es könne dort nicht einschlafen, waren die Bedenken.

Verantwortung übernehmen

"Erst in der Mediation kam heraus, dass die Mutter Angst hatte, ihr Ex-Partner könne mitsamt Kind in der Türkei bleiben", sagt Lamadé. Letztlich konnte der Vater diese Ängste zerstreuen. Er hatte der Mutter im Gespräch klarmachen können, wie wichtig er den Kontakt zwischen Mutter und Kind hält. "In dem Verfahren haben alle gewonnen", so die Mediatorin. Die Mutter wisse, dass sie bei der Erziehung auch die Hilfe des anderen in Anspruch nehmen kann; der Vater werde nicht vor den Kopf gestoßen, wenn er für das Kind Verantwortung übernehmen will. Schließlich erfahre auch das Kind, dass beide Eltern da sind.

In der meist zehn Stunden dauernden Mediation wird nicht nach Schuld von Trennungen oder Fehlverhalten gefragt. "Man muss vielmehr die bestehenden Ängste und Verletzungen herausarbeiten", erklärt die Mediatorin. Denn häufig wüssten die Beteiligten selbst nicht so genau, was die eigentlichen Hintergründe ihres Konfliktes sind.

Keine Kostenübernahme

"Trotz der guten Erfolge der Mediation fehlt bei vielen zerstrittenen Eltern die Bereitschaft, sich zu einigen", sagt Rüdiger Meyer-Spelbrink, Bundesgeschäftsführer des Vereins "Väteraufbruch für Kinder". Der "Väteraufbruch" setzt sich für die Interessen getrennter Väter ein. Nach der Trennung gehe es oft nur darum, das eigene Recht vor Gericht durchzusetzen. Bei Mediationsverfahren hätten hingegen gemeinsame Lösungen bessere Chancen.

Dennoch könne der Streit vor Gericht für mittellose Eltern vorteilhaft sein. Denn hier könnten sie vom Staat Verfahrenskostenhilfe verlangen. Meyer-Spelbrink kritisiert, dass es für die Mediation keine Kostenübernahme gibt. Immerhin kostet bei einem Mediator jede Stunde zwischen 80 und 200 Euro. "Gerade ärmere Eltern verzichten dann eher auf diese Form der außergerichtlichen Einigung", so Meyer-Spelbrink. "Eine Kostenübernahme der Mediation hilft nicht nur bedürftigen Eltern, sie würde auch die Gerichte entlasten", sagt auch Lamadé.

epd