Arbeitsgericht: Christliche Gewerkschaften nicht tariffähig

Arbeitsgericht: Christliche Gewerkschaften nicht tariffähig
Wegen eines Satzungsproblems hat das Bundesarbeitsgericht in einem Grundsatzurteil die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für nicht tariffähig erklärt. Damit werden auch die Tarifverträge der Leiharbeitergewerkschaft unwirksam.

Die Tarifverträge von schätzungsweise bis zu 280.000 Leiharbeitern in Deutschland sind unwirksam. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt erklärte am Dienstag in einem Grundsatzurteil die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) als nicht tariffähig. (AZ: 1 ABR 19/10)

In dem Verfahren wollten das Land Berlin und die Gewerkschaft ver.di feststellen lassen, dass die CGZP nicht tariffähig ist und damit keine Tarifverträge abschließen darf. Ihr Vorwurf: Die christliche Tarifgemeinschaft sei eine Scheingewerkschaft, die mit den Arbeitgebern Gefälligkeitstarifverträge mit Dumpinglöhnen abschließt. Ihr fehle es "an der sozialen Mächtigkeit" um überhaupt Tarifverträge abschließen zu dürfen.

Keine ausreichende Legitimierung

Das Gericht stellte bei der CGZP vor allem ein Satzungsproblem fest. Die Tarifgemeinschaft sei von ihren einzelnen Mitgliedsgewerkschaften nicht ausreichend legitimiert gewesen, um überhaupt Tarifverträge abschließen zu dürfen. So seien einige Einzelgewerkschaften nach ihrer Satzung gar nicht für Leiharbeiter zuständig gewesen. Daher dürften diese sich auch nicht in einer Tarifgemeinschaft beteiligen, die für Leih- und Zeitarbeiter Tariflöhne abschließt, so der Erste Senat.

Wegen des fehlerhaften Zusammenschlusses gelte die christliche Tarifgemeinschaft, die mit den beiden großen christlichen Kirchen nichts zu tun hat, daher im tarifrechtlichen Sinne nicht als Gewerkschaft. Da die mit der CGZP getroffenen Tarifverträge nicht gültig sind, sind die gesetzlichen Regelungen nach dem sogenannten Equal-Pay-Prinzip anzuwenden.

Danach müssen Leiharbeiter bei fehlenden tariflichen Vorschriften genauso entlohnt werden wie die Stammbelegschaft im Entleiherbetrieb. "Dies ist ab sofort anzuwenden", sagte BAG-Sprecherin Inken Gallner. Nicht entschieden hat das Bundesarbeitsgericht, ob Arbeitnehmer und die Sozialversicherungen rückwirkend entgangenen Lohn und Sozialversicherungsbeiträge geltend machen können. Da beim Arbeitsgericht Berlin ein Verfahren genau zu dieser Frage noch anhängig ist, konnte das BAG aus formalen Gründen nicht darüber entscheiden.

Nachzahlungen für Löhne und Sozialversicherungsbeiträge

Dennoch drohen den Arbeitgebern, die mit der CGZP in der Regel sehr geringe Tariflöhne vereinbart haben, mit diesem Verfahren hohe Nachzahlungen für Löhne und Sozialversicherungsbeiträge. Nach Schätzungen von ver.di belaufen sich allein die noch zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge für die betroffenen rund 280.000 Leiharbeiter auf rund zwei Milliarden Euro.

"Diese Entscheidung ist ein tarifpolitischer Meilenstein und ein großer Erfolg für die Beschäftigten in der Leiharbeit. Damit ist klargestellt, dass die CGZP ausschließlich im Interesse der Arbeitgeber gehandelt hat - und nur zu dem Zweck, Tarifverträge zu äußerst niedrigen Löhnen und schlechten Arbeitsbedingungen abzuschließen", sagte die Berliner Arbeitssenatorin Carola Bluhm (Linke).

Für die Betroffenen wirke sich das Urteil sofort aus. So habe der ungelernte Leiharbeiter in der Metall- und Elektroindustrie in Westberlin nach dem CGZP-Tarif nur 6,40 Euro Stundenlohn erhalten. Nun müsse er ebenso wie der festangestellte Produktionshelfer bezahlt werden, der 11,82 Euro Lohn pro Stunde erhält.

epd