Wilderei und Waldzerstörung: Der Tiger hat keine Chance

Wilderei und Waldzerstörung: Der Tiger hat keine Chance
13 Staaten haben diese Woche beschlossen, den Tiger besser zu schützen. Dennoch sind die großen Katzen bedroht - und werden es auch so lange bleiben, wie den politischen Versprechungen keine Taten folgen. Trotz des "historischen Moments" beim Gipfel in Sankt Petersburg ist die Wahrscheinlichkeit dafür nicht sehr hoch.
24.11.2010
Von Michael Lenz

"Keine Fotos!" Der Mann an dem Stand auf dem Markt der birmanischen Grenzstadt Tachilek nimmt eine drohende Körperhaltung ein und schnauzt den Touristen mit der Kamera erneut an: "Keine Fotos." Die Einschüchterung wirkt. Der westliche Tourist steckt frustriert steckt er seine Digitalkamera weg. Es wird halt nicht gerne gesehen, dass Westler Fotos von all den Knochen, Fellen, in Flüssigkeiten Tierkörperteilen machen, die auf dem Markt von Tachilek feilgeboten werden.

Tachilek an der thailändisch birmanischen Grenze ist eine Drehscheibe für den illegalen Handel mit Tieren, ob tot oder lebendig. Besonders gefragt sind Körperteile von Tigern, weil viele asiatische Männer von der potenzsteigernden Wirkung von Tinkturen und Tees aus Tigerknochen und Tigerpenissen überzeugt sind. Eine Gier, die eine wesentliche Ursache für die rapide Abnahme der Zahl der Tiger in freier Wildbahn leben und die in diesem Jahr, das im chinesischen Kalender im Zeichen des Tigers steht, noch weiter abgenommen haben dürfte. In der Greater Mekong Region, die Kambodscha, Birma, Laos, Thailand und Vietnam umfasst, streifen nur noch 350 Tiger durch die Wälder, schätzt die Tierhandelskontrollorganisation Traffic. Im letzten "Jahr des Tigers" 1998 sollen es noch 1.200 gewesen sein.

Hauptkunden für Tigerprodukte sind Chinesen, die an die organisierte Tigermafia jeden Preis für die begehrte Ware zahlen. Die Tigerwildererbanden sind nach Ansicht von Experten oft eng verbunden mit Geldwäschern, Drogenhändlern und in Einzelfällen möglicherweise gar mit Terrorgruppen. Etwa 150 Tiger, was gut fünf Prozent des Bestands ausmacht, werden jedes Opfer von Wilderern, denen der illegale Tigerhandel einen Profit von fünf Millionen Dollar einbringt.

Der politischen Anstrengung müssen Taten folgen

In dem jüngst in Bangkok veröffentlichten Report "Der Handel mit Großkatzen in Myanmar und Thailand" weisen TRAFFIC und der WWF nach, dass die Schwarzmärkte entlang der Grenze Birmas zu Thailand und China, eine "wesentliche Rolle" im Handel mit Tigerkörperteilen spielen. Ein Grund dafür ist, dass die meisten der Tiger der Greater Mekong Region genau in diesen Landstrichen mit ihren großen Dschungelgebieten leben. Genau diese aber sollen zu Tigerschutzgebieten erklärt werden, in denen die Tigerpopulation wieder wachsen könnte. "Das kann nur passieren, wenn es koordinierte Aktionen zur Beendigung des Wildtierhandels gibt", sagte Peter Cutter, Tigerexperte des WWF, bei der Präsentation des Reports.

In dieser Woche haben sich 13 Staats- und Regierungschefs in der russischen Stadt St. Petersburg auf ein millionenschweres Schutzprogramm für die letzten freilebenden Tiger verständigt. Der WWF sprach von einem "historischen Moment" für die bedrohten Raubkatzen. Den Worten müssten aber schnell Taten folgen. Nur noch rund 3.200 Tiger leben heute in freier Wildbahn. "Mit unseren Maßnahmen kann diese Zahl bis 2022 auf 6.000 steigen", sagte Russlands Regierungschef Wladimir Putin. Unklar ist noch die Finanzierung des Programms. Von den benötigten 350 Millionen US-Dollar (255 Millionen Euro) wurden auf dem Gipfel lediglich 127 Millionen angekündigt.

Es ist jedoch nicht so, dass es in diesen Staaten nicht längst Gesetze zum Schutz der Tiger gäbe. Mal aber fehlt es an politischem Willen, mal an Personal und Finanzen, diese Gesetze in die Tat umzusetzen. Korruption und die – oft illegale – Abholzung der Wälder tun ein Übriges um den Tigern das Überleben schwer zu machen.

Korruption macht auch Schutzzonen unwirksam

Wie wenig Schutzzonen und Naturparks Tigern nutzen, machte auf erschreckende Weise ein Video deutlich, das der WWF im Oktober veröffentlicht hat. Die bereits im Mai und Juni dieses Jahres auf der indonesischen Insel Sumatra aufgenommenen Bilder zeigen einen Bulldozer, der in Bukit Batabuh für eine illegale Palmölplantage in einem Tigerhabitat Bäume niederwalzt. Das Land war jedoch schon 1994 von der Regierung der Provinz Riau zum Schutzgebiet erklärt worden. Nur eine Woche vor dem Bulldozereinsatz hat die Kamera erstmalig Bilder einen der seltenen und vom Aussterben bedrohten Sumatratiger einfangen können.

Dass die Bulldozer der Palmölfirma ungehindert das Tigerhabitat zerstören konnten, ist ein weiterer Beweis für die traurige Tatsache, dass die Forstbehörden Indonesiens zu den korruptesten Institutionen des Landes gehören. Der WWF filmt seit Mitte 2009 in Tigerschutzgebieten mit versteckten Kameras illegale Aktivitäten im Tigerhabitat Bukit Batabuh, das durch einen Korridor mit dem Bukit Tigapuluh National Park verbunden ist.

Auch der Krieg macht den Tigern das Leben schwer

Im Grenzgebiet von Birma und Thailand kommt noch der Faktor Krieg hinzu. Ethnische Völker wie die Karen oder auch die Shan befinden sich seit Jahrzehnten im latenten Kriegszustand mit Birma. Alleine seit der Wahl der in Birma vor zehn Tagen ist es wieder zu einer Reihe von schweren Gefechten zwischen ethnischen Milizen und der birmanischen Armee gekommen. Mit anderen Worten: selbst wenn die Machthaber in Birma die Tiger schützen wollten, sie könnten es nicht, weil sie in den ethnischen Teilstaaten im Grenzgebiet nicht Herr der Lage sind. Neben Drogen sind der illegale Handel mit Wildtieren und Tropenholz eine wichtige Finanzquelle der ethnischen Milizen. Daran wird auch der Tigergipfel nichts ändern.

Im August dieses Jahres verhielt sich eine Thailänderin am Bangkoks Flughafen Suvarnabumi auffällig merkwürdig, als sie ihr übergewichtiges Gepäck einchecken wollte. Flughafenmitarbeiter nahmen die Tasche genauer unter die Lupe - und fanden ein zwei Monate altes Tigerbaby. Die Dame hatte das arme Tier mit Beruhigungsmitteln vollgepumpt, um es auf dem geplanten Flug in den Iran vor einer Entdeckung zu schützen. Es war unklar, ob das Tigerbaby in freier Natur geboren worden war oder aus einer Tigerzuchtstation stammte. Tigerschmuggler aber schrecken vor nichts zurück – selbst nicht vor Dummheiten wie der Thailänderin.


Michael Lenz ist freier Autor und lebt in Südostasien.