CDU hauchdünn für Verbot von Gentests an Embryonen

CDU hauchdünn für Verbot von Gentests an Embryonen
Selten debattieren Parteien so grundsätzlich, wie es die CDU auf ihrem Parteitag über Gentests an Embryonen getan hat. Am Ende setzten sich die Gegner denkbar knapp durch. Die Abgeordneten im Bundestag sind an den Beschluss aber nicht gebunden.

Die CDU hat sich in einer denkwürdigen Debatte mit hauchdünner Mehrheit für ein Verbot von Gentests an Embryonen ausgesprochen. Die Delegierten des Bundesparteitags in Karlsruhe folgten mit einem Vorsprung von nur 17 Stimmen (51,06 Prozent) der Position von Parteichefin Angela Merkel. Sie hatte zuvor betont: "Ich bin für ein Verbot der PID, weil ich einfach Sorge habe, dass wir die Grenzen nicht richtig definieren." Vier Stunden rangen die rund 1.000 Delegierten am Dienstag um diese Entscheidung.

Bei der Präimplantationsdiagnostik (PID) können im Reagenzglas erzeugte Embryonen auf Erbkrankheiten untersucht werden, bevor sie der Mutter eingesetzt werden - und aussortiert werden, wenn eine Fehlgeburt oder die Geburt eines behinderten Kindes droht. Ärzte schätzen die Zahl der betroffenen Paare auf 150 bis 300 im Jahr. Die PID komme nur für Menschen mit erblichen Vorbelastungen infrage.

Peter Hintze rechnet nicht mit einem PID-Verbot

Der Bundesgerichtshof hatte die PID im Juli für zulässig erklärt. Nun wird im Bundestag an einem Gesetz gearbeitet, um rechtliche Grauzonen zu beseitigen. Bei der Abstimmung im Parlament gibt es keinen Fraktionszwang, weil es sich um eine Gewissensentscheidung handelt. Der Parteitagsbeschluss der CDU ist für ihre Bundestagsabgeordneten nicht bindend.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) appellierte, nicht hinter die Rechtsprechung des BGH zurückzufallen: "Es geht um die Chance auf ein gesundes Leben und eine Beschränkung der PID auf einzelne Ausnahmefälle bei sehr schweren Krankheiten."

Der Parlamentarische Wirtschaftsstaatssekretär und frühere Pfarrer Peter sagte, er rechne trotz des Votums der Partei nicht mit einem Verbot von Gentests an Embryonen. Er sei zuversichtlich, dass der Bundestag ein PID-Verbot verhindern werde, sagte Hintze, der es für ein Drama hält, Eltern mit erblichen Vorbelastungen die Möglichkeit zu verweigern, einen Embryo auf Behinderungen zu untersuchen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, kritisierte die Entscheidung der CDU als rückwärtsgewandt. Er sei aber zuversichtlich, dass fraktionsübergreifend eine Mehrheit für die begrenzte PID-Zulassung erreichen werden könne. Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Bundestags-FDP, Ulrike Flach, sagte, sie sehe eine sehr gute Chance für eine Parlamentsmehrheit zugunsten einer eingeschränkte PID.

Die Argumente der PID-Befürworter in der CDU:

Auch die Parlamentarischen Staatssekretärinnen Ursula Heinen-Esser und Katherina Reiche lehnten ein Verbot ab. Reiche sagte, bei einem Verbot würden Frauen gezwungen, vorhersehbare Totgeburten zu erleiden. "Ich weiß nicht, ob das christlich ist - für mich ist es unbarmherzig. (...) Es gibt kein Recht auf ein gesundes Kind, aber es gibt den verständlichen Wunsch danach."

Heinen-Esser mahnte: "Eltern verstehen nicht, dass die Untersuchung im Mutterleib erlaubt ist, aber nicht die Untersuchung einer befruchteten Eizelle. Sie verstehen nicht, warum die PID verboten sein soll, wenn die Abtreibung und Tötung eines Kinders bis zur zwölften Woche erlaubt ist und danach die Spätabtreibung. Wir dürfen Kinder untersuchen und abtreiben, aber nicht die Zelle."

[linkbox:nid=24509;title=Die Position dafür]

Hintze fragte: "Wenn die Untersuchung im Mutterleib erlaubt ist, warum soll es dann nicht in der Glasschale erlaubt sein, bevor das Drama seinen Lauf nimmt?" Es gehe darum, "alles daran zu setzen, Leid und Tränen zu verhindern".

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen sagte: "Wenn ein sehnsüchtiger Kinderwunsch von solch einer erblichen Belastung überschattet wird, dann kann die PID das Ja zum Kind stärken."

Familienministerin Kristina Schröder sagte, es sei besser, mit Hilfe der PID Embryonen auszusortieren, als später abzutreiben. Sie habe keine Sorge vor dem von Kritikern an die Wand gemalten "Dammbruch", da nur Paare mit einem ernsthaften Kinderwunsch den schweren Weg einer künstlichen Befruchtung wählten.

Die Argumente der PID-Gegner in der CDU:

Die Kirchenbeauftragte der Unionsfraktion, Maria Flachsbarth, fragte mit Blick auf eine mögliche begrenzte Zulassung der PID: "Wer schreibt die Grenzen fort entsprechend der medizinischen Entwicklung?" Flachsbarth mahnte, "wir sollten dem Schöpfer nicht ins Handwerk pfuschen."

Die Auswahl von genetisch geeignet erscheinenden Embryonen sei das zentrale ethische Problem bei der PID, sagte der Vorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU (EAK), Thomas Rachel. Der EAK lehnt die PID ab. Rachel verwies zugleich auf den Gewissenskonflikt bei der Entscheidung, weil die Konflikte der betroffenen Paare ebenso ernst zu nehmen seien.

Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte: "Wenn wir nicht wollen, dass am Leben experimentiert wird, dann dürfen wir hier und heute die PID nicht zulassen. Wir machen eine Tür auf und wissen nicht, was nach der Tür kommt."

[linkbox:nid=24633;title=Die Position dagegen]

Fraktionsvize Günter Krings sagte: "Es gibt natürlich auch eine Ethik des Heilens, aber (...) nicht um jeden Preis." Der EU-Abgeordnete Peter Liese sagte: "Auch bei der Abtreibung haben wir Probleme." Die Delegierte Regina Görner meinte: "Wer mit Kindern leben will, muss bereit sein, Defekte und Schwierigkeiten anzunehmen."

Die rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Julia Klöckner warnte: "Wenn Leben ein Geschenk Gottes ist, dann ist dieses Geschenk nicht unter Bedingungen gegeben." Es gehe um "Humanität im Sinne des Nächsten und nicht im Sinne des Perfekten." Sie verwies auf das Grundsatzprogramm der CDU, wo ein Verbot der PID verankert ist.

Generalsekretär Hermann Gröhe sagte, die PID sei mit der "Heiligkeit des Lebens" unvereinbar. Es gehe um die gleiche Würde jedes Menschen. Die Vorsitzende der Frauen Union, Maria Böhmer, sagte, es sei offen, was die Forschung mit den etwa 80.000 von 100.000 Embryonen im Jahr mache, die nicht eingesetzt würden.

Bundestagspräsident Norbert Lammert und Saar-Ministerpräsident Peter Müller schlugen vor, sich für ein Verbot auszusprechen, aber die Frage nach dem staatlichen Strafanspruch zu stellen.

dpa/epd