Rundfunkräte brauchen mehr Kompetenz!

Rundfunkräte brauchen mehr Kompetenz!
Der Deutsche Journalisten-Verband will Politiker aus den Rundfunkgremien verbannen. Die Forderung ist populistisch und geht am Kern des Problems vorbei.
09.11.2010
Von Henrik Schmitz

Ausgerechnet der Deutsche Journalisten-Verband übt sich in Populismus. Politiker bzw. eigentlich Amtsträger also Abgeordnete oder gar Ministerpräsidenten sollten nicht mehr in Rundfunkräten vertreten sein, lautet seine jüngst erneuerte Forderung. Spätestens nach den Erfahrungen in der causa Brender erhält man für derlei Getöse reichlich Applaus. Und natürlich hat der DJV recht, wenn er anmahnt, dass dem Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk enge Grenzen gesetzt sein sollten. Die Forderung des DJV ist dennoch kurzsichtig. Würde sie umgesetzt, erreichte man vielleicht sogar das Gegenteil von dem, was man sich erhofft. 

Die Rundfunkräte und die Vertreter im ZDF-Fernsehrat werden mit Vertretern der "gesellschaftlich relevanten Gruppen" besetzt. Dazu zählen Vertreter der Parteien aus den verschiedenen Parlamenten der Länder und des Bundes, aber auch Vertreter von Gewerkschaften, Industrie- und Handelskammern, Umweltverbänden, der Kirchen usw. Man sollte annehmen, dass diese gesellschaftlich relevanten Gruppen die Verantwortung, die mit der Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einhergeht, kennen und sie entsprechend wahrnehmen.

Keine Ahnung

Wer genauer hinsieht, wird jedoch enttäuscht. Man muss es leider so sagen: Viele Rundfunkräte haben von der Materie, die sie zu beaufsichtigen haben, keine oder nur rudimentäre Ahnung. Genau so gut könnte man den Vorsitzenden eines Taubenzuchtvereins zum Oberaufseher der Deutschen Flugsicherung ernennen. Nicht ein einziger größerer Medienskandal der vergangenen Jahre wurde von kritischen Rundfunkräten ans Licht gebracht. Medienjournalisten, die eigentlich die natürlichen Freunde von Rundfunkräten sein sollten und mit ihren Recherchen die Aufsicht der Sender ergänzen und unterstützen, werden von den Gremienvertretern aber gelegentlich eher als Feinde betrachtet.

Die Solidarität gilt doch oft zunächst dem Sender und erst in zweiter Linie der Öffentlichkeit bzw. der Gesellschaft. In einigen Fällen beschränkt sich die Aufsicht darin, dafür zu sorgen, dass die jeweils eigene "relevante Gruppe" auch im Programm vorkommt. Wer sich einmal vor die Tür einer Rundfunkratssitzung gesetzt hat, kann auch feststellen, dass einige Rundfunkräte die Sitzung sehr schnell wieder verlassen. Zum Beispiel kurz nachdem die Liste rundgegangen ist, in der per Unterschrift die Anwesenheit festgestellt wird, die auch das Sitzungsgeld sichert.

Fehlende Impulse

Gibt es Schleichwerbung, werden die Finanzmittel sinnvoll und korrekt eingesetzt, ist das Programm innovativ, wie sieht ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk der Zukunft aus: Dies sind nur einige der wichtigen Fragen, die Rundfunkräte beantworten und besprechen müssen. Impulse in diesen Feldern kamen in der Vergangenheit - von rühmlichen Ausnahmen abgesehen - selten. Wenn doch, waren es aber häufig die viel gescholtenen Politiker in den Rundfunkgremien, die sich zu wichtigen Entwicklungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kompetent äußerten. Als Medienpolitiker in den Parlamenten sind sie an der Entstehung der Gesetze beteiligt, die auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk betreffen. Wer könnte besser überwachen, ob die Gesetze eingehalten werden, als die, die sie gemacht haben?

Und glaubt eigentlich irgendjemand, der politische Einfluss auf die Sender ließe sich damit erledigen, dass man die Amtsträger aus den Rundfunkräten fernhält? Auch Vertreter von Gewerkschaften, Verbänden und Kirchen sind ja politische Menschen und neigen einer bestimmten Richtung zu. Der Bauernverband ist vielleicht eher konservativ, der Gewerkschafter eher links, der Handwerksverband schickt einen Liberalen und der Umweltschutzbund hat womöglich Sympathien für die Grünen. Wenn die (Partei)-Politiker nicht mehr in den Gremien sind, dann eben mehr Vertreter von den Gruppen, die als "natürliche Freunde" der jeweils herrschenden Parteien empfunden werden. Wen diese Verbände in die Gremien entsenden, darauf ist der Einfluss begrenzt. Ein Politiker bietet immerhin den Vorteil, dass man seine Partei nicht wählen muss und somit Einfluss ausüben kann.

Mehr Kompetenz!

Politik ist überall, warum nicht auch in den Rundfunkräten? Die Forderung des DJV sollte nicht "Politik raus aus den Gremien", sondern "Kompetenz rein in die Rundfunkräte" heißen. Auch das Selbstverständnis der Rundfunkräte müsste sich ändern. Sie sind nicht einer Gruppe und in der Tat erst recht keiner Partei verantwortlich, sondern einem funktionierendem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in diesem Lande, der mal Unterstützung braucht und mal an die Leine genommen werden muss.

Vielleicht täte die Politik gut daran, mit gutem Beispiel voran zu gehen und statt eigener Abgeordneter, Experten in die Gremien zu entsenden: Medienrechtler, Medienwissenschaftler, vielleicht sogar ehemalige Medienjournalisten. Mindestens aber Leute, die sich für das Programm interessieren und es auch anschauen oder anhören. Gelegentlich geschieht dies schon. Einer funktionierenden Aufsicht tut das gut.


Henrik Schmitz ist Redakteur bei evangelisch.de