Heißes Atom-Wochenende: Castorzug erreicht Deutschland

Heißes Atom-Wochenende: Castorzug erreicht Deutschland
Der Castorzug hat am Samstagnachmittag die deutsche Grenze passiert. Bei Gorleben starteten Atomkraftgegner die größte Demonstration seit Jahrzehnten. 40.000 Menschen aus ganz Deutschland werden zu den Protesten erwartet.

Größere Krawalle blieben bisher aus. Die Nacht zum Samstag sei ruhig gelieben, berichtete die Polizei am Morgen. Die Castorbehälter enthalten 123 Tonnen Atommüll aus deutschen Kernkraftwerken, der in der nordfranzösischen Anlage La Hague aufgearbeitet wurde und nun zurück nach Deutschland soll. Der Zug war am Freitagnachmittag gestartet und wurde in Nordfrankreich von Atomkraftgegnern vorübergehend aufgehalten. Am Samstagnachmittag gegen 14 Uhr überschritt der Transport die Grenze.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin, der zu der Kundgebung am Samstagnachmittag in Dannenberg erwartet wird, rief zu friedlichen Protesten auf. Schon am Morgen machten sich mehr als 100 Traktoren auf dem Weg zur Großdemo, Polizeihubschrauber kreisten über dem Gelände. Atomkraftgegner kündigten außerdem für den Sonntag, den Transport mit den elf Atommüllbehältern blockieren zu wollen. SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, nach Gorleben zu kommen und sich den Demonstranten zu stellen. Linke-Fraktionschef Gregor Gysi will persönlich einen Traktor steuern, auch Grünen-Chefin Roth wird bei der Protestdemo dabei sein.

Polizei an jeder Straßenecke

Die Polizei aus fast allen Bundesländern ist mit mindestens 16.500 Beamten im Einsatz. Beinahe an jeder Straßenecke waren bereits am Freitag Einsatzfahrzeuge postiert, Wasserwerfer standen bereit. Sorgen macht den Einsatzkräften das strafbare "Schottern", bei dem Atomkraftgegner massenhaft Steine aus dem Gleisbett entfernt wollen. Der Castorzug wurde in Nordfrankreich schon kurz nach dem Start für rund drei Stunden von Atomkraftgegnern gestoppt. Sie hatten sich bei Caen an das Gleis gekettet. Sieben Aktivisten, darunter ein Deutscher, wurden festgenommen.

Die Fahrtroute wurde in der Nacht zum Samstag geändert, statt über Arras, Valenciennes, Fourmies Hirson und Charleville fuhr der Transport weiter südlich von Amiens in Richtung Reims und dann südlich von Metz Richtung deutsche Grenze. Französissche Kernkraftgegner erwarteten ihn gegen Mittag in Straßburg und eine Stunde später an der Grenze in Lauterbourg. Von dort müsste der Zug dann über Wörth am Rhein weitereinfahren.

Im Wendland selbst kam es in der Nacht zum Samstag zu vereinzelten Straßenblockaden, die Polizei drängte einige Demonstranten ab. Die größten Proteste sind aber voraussichtlich erst mit der Ankunft der elf Castorbehälter in Dannenberg zu erwarten. Am Verladebahnhof werden die Container auf Tieflader umgesetzt, um die letzten 20 Kilometer auf der Straße zum Zwischenlager Gorleben zurückzulegen.

Salzstock wird wieder erkundet

Angesichts der Entscheidung der Bundesregierung, die Laufzeiten der Kernkraftwerke um durchschnittlich zwölf Jahre zu verlängern, rechnet die Anti-Atom-Bewegung mit einem besonders großen Zulauf für ihre Protestaktionen. Zudem wird die Wiederaufnahme der Erkundung des Salzstocks kritisiert, der ganz in der Nähe des oberirdischen Zwischenlagers liegt. Die Bevölkerung fürchtet, dass hier das Endlager für hoch radioaktiven Atommüll errichtet werden soll.

Gabriel forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, nach Gorleben zu fahren und gemeinsam mit den vier Vorsitzenden der Atomkonzerne mit den Demonstranten zu diskutieren. "Denn Frau Merkel und ihre vier Freunde sind es, die einen gesellschaftlichen Großkonflikt wieder eröffnet haben, der durch den Atomausstieg längst befriedet war", sagte Gabriel der "Passauer Neuen Presse" (Samstag).

Die Grünen-Führung machte die Bundesregierung für eine mögliche gewalttätige Eskalation bei den Protesten verantwortlich. "Die Regierung redet nicht mit der Bevölkerung, sondern will Konflikte mit Wasserwerfern lösen", sagte Parteichef Cem Özdemir der "Bild am Sonntag". Die schwarz-gelbe Bundesregierung habe einen von Rot-Grün befriedeten Konflikt wieder aufgerissen, sagte auch die Parteivorsitzende Claudia Roth dem Blatt.

dpa