Stuttgart 21: Eklat um NS-Vergleich

Stuttgart 21: Eklat um NS-Vergleich
Im Streit um das Bahnprojekt Stuttgart 21 hat der Generalsekretär der Südwest-CDU gegen den prominenten Projektgegner Walter Sittler schweres Geschütz aufgefahren. Dessen Vater habe schon für die Nazis Propaganda gemacht. Am Abend entschuldigte sich Strobl.
03.11.2010
Von Marc Herwig

Baden-Württembergs CDU-Generalsekretär Thomas Strobl nannte den Schauspieler Walter Sittler einen "S-21-Propagandisten" und verwies darauf, dass dessen Vater bereits Stimmung für die Nazis gemacht habe. SPD und Grüne zeigten sich empört und forderten von Strobl eine Entschuldigung. Die sprach der Chef der baden-württembergischen CDU-Landesgruppe im Bundestag dann am Abend aus und erklärte, er sei "in der von beiden Seiten emotional geführten Debatte über Stuttgart21 über das Ziel hinausgeschossen".

SPD fordert Konsequenzen

Die SPD-Bundestagsfraktion forderte die Absetzung des CDU-Politikers Thomas Strobl als Vorsitzenden des Vermittlungsausschusses. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann betonte in einem Brief an seinen Unions-Kollegen Peter Altmaier (CDU), er halte Strobl nach diesem Vorfall in dieser Funktion "für völlig ungeeignet und nicht länger tragbar". Mit seinen Äußerungen stelle Strobl Sittler "in eine Reihe mit Nazi-Propagandisten". In dem Schreiben, das der Deutschen Presse- Agentur vorliegt, betonte Oppermann, der Vorfall zeige die Dialogunfähigkeit Strobls.

Sittler sieht in den Äußerungen den Beleg dafür, dass den Befürwortern des Milliarden-Bahnprojekts nun endgültig die Argumente ausgehen. Am Dienstag blockierten außerdem 120 Demonstranten den Südflügel des Hauptbahnhofs, um Bauarbeiten für das Grundwassermanagement des geplanten Tiefbahnhofs zu behindern. Die Polizei löste die Aktion auf.

Strobl hatte Sittler in seinem Newsletter "Berlin aktuell" ein "mangelndes Demokratieverständnis" vorgeworfen. Dazu stellte er ein Foto des Schauspielers und die Bildzeile: "Sein Vater war Nazi-Funktionär und arbeitete für Reichspropagandaminister Joseph Goebbels: Walter Sittler, Propagandist der S-21-Bewegung." Strobl versicherte nun, er werde diese Aussagen nicht wiederholen.

Sittler spricht von Eigentor

Sittler hatte bereits 2007 in einer ZDF-Dokumentation offengelegt, wie sein Vater zu "einer stählernen Stimme des Reiches" wurde. Der Schauspieler sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Jetzt geht das los, dass sie wieder mit Sachen um sich werfen, weil sie keine Argumente haben - nur um auf jeden Fall Schaden anzurichten." Nach ersten Gefühlen der Verletzung sei ihm aber klar geworden: Strobl habe mit der Veröffentlichung ein Eigentor geschossen.

In einer Mail habe er Strobl auf sachliche Fehler hingewiesen, ergänzte der Schauspieler. "Denn mein Vater hat ja für das Auswärtige Amt gearbeitet und nicht für das Reichspropagandaministerium. Er war auch nicht Funktionär, sondern Parteimitglied - das habe ich ihm nur der Vollständigkeit halber geschrieben", sagte Sittler.

Am Vorwurf, Sittler habe "mangelndes Demokratieverständnis", hielt Strobl in einem Interview der "Heilbronner Stimme" (Mittwochsausgabe) fest. "Dieser Kritik habe ich nichts hinzuzufügen und nichts davon wegzunehmen." Der Schauspieler hatte in einem Fernsehauftritt über die Baden-Württemberger gesagt, sie hätten über Jahrzehnte falsche Wahlentscheidungen getroffen.

Grüne: "Völlig inakzeptabler Angriff"

SPD-Generalsekretär Peter Friedrich warf Strobl vor, er stelle Sittler in eine Reihe mit Nazi-Propagandisten. "Diese Aussagen sind eine blanke Unverschämtheit. Strobl versucht sich hier als verbaler Wasserwerfer", sagte Friedrich der dpa. Grünen-Landeschef Chris Kühn nannte Strobls Äußerung einen "infamen und völlig inakzeptablen Angriff". Die FDP- Landesvorsitzende Birgit Homburger rief Strobl zur Mäßigung auf. "Mit solchen Vergleichen tut man der Sache nichts Gutes", sagte sie dem Konstanzer "Südkurier" (Mittwochsausgabe).

An diesem Mittwoch wollen Gegner und Befürworter den Südflügel besichtigen. Der Termin war eigentlich schon für Dienstag geplant, wurde aber auf Bitten des Schlichters Heiner Geißler verschoben. Die Kritiker vermuten, dass der Gebäudetrakt weiter entkernt wird. Damit würde die Bahn aus ihrer Sicht gegen die Friedenspflicht verstoßen.

dpa