"Gut aufgehoben bis über den Tod hinaus"

"Gut aufgehoben bis über den Tod hinaus"
Friedhöfe gelten als bedrückende, traurige Orte. Der Karlsruher Hauptfriedhof will jedoch mehr sein als eine Stätte für den letzten Gang. Angehörige und Besucher können dort viel entdecken.
29.10.2010
Von Ralf Schick

Matthäus Vogel hat eine Philosophie. Wer in Karlsruhe den Hauptfriedhof besucht, soll den Ort der Trauer als zufriedener Kunde wieder verlassen. Das gilt für Angehörige von Verstorbenen wie für Interessierte, die das Bestattungsgelände nicht nur als Stätte für den letzten Gang erleben wollen. Mit seiner Philosophie hat der Leiter des städtischen Friedhofsamtes den Karlsruher Friedhof in den vergangenen Jahren zu einem der innovativsten in Deutschland werden lassen.

Angehörige können Sarg selbst tragen

Die Aufgaben eines Friedhofs seien "Dienstleistung und Seelsorge vor Ort", sagt Vogel. Schließlich gebe es aus seiner Sicht keinen anderen Ort, "der auf so dramatische Weise die Menschen bewegt". Zu seinem Konzept gehören eine Vielfalt von Bestattungsmöglichkeiten. Gegen den Willen seiner Vorgänger hat er auch eine alte Tradition wieder einführen lassen: Angehörige dürfen den Sarg des Verstorbenen an die Ruhestätte tragen.

Auf dem Karlsruher Friedhof gibt es ein Landschaftsgräberfeld mit Bäumen, Stauden und einem Bachlauf, außerdem einen "Lebensgarten" mit einem symbolischen Trauerweg. Seit ein paar Jahren werden auch Baumbestattungen angeboten. Aber auch ein Kinderspielplatz gehört dazu. Man kann Grabmalpatenschaften eingehen, Ausstellungen besuchen, an thematischen Führungen teilnehmen. In Karlsruhe sei man "gut aufgehoben bis über den Tod hinaus", lobt der badische evangelische Landesbischof Ulrich Fischer das Konzept.

"Geschichtsbücher einer Stadt"

"Friedhöfe sind Geschichtsbücher einer Stadt, die von Menschen und deren Leben erzählen", sagt Bürgermeister Klaus Stapf. Gerade alte Grabanlagen hätten mit ihrer Architektur und Symbolik viel zur Stadtgeschichte und zur jeweiligen Epoche zu berichten. Auch ihm sei es ein Anliegen, dass die unterschiedlichen Wünsche der Menschen rund um die Bestattung in den Blickpunkt gerückt würden. Deshalb ist es seit Anfang des Jahres in Karlsruhe auch möglich, Gräber auf "Friedhofsdauer" zu erwerben, also wie eine Art unbefristetes Erbgrab. Auf deutschen Friedhöfen gelten meist Ruhefristen von 15 oder 20 Jahren. Nach Ablauf der Nutzungsdauer werden die Gräber aufgelöst und neu belegt.

Mit seinen Begräbnisangeboten nimmt der Karlsruher Hauptfriedhof seit Jahren schon eine Vorreiterrolle in Deutschland ein. Die landschaftsidyllische Gestaltung sorgte bundesweit für Aufsehen und findet immer mehr Nachahmer. Für Matthäus Vogel aber gehören auch flexiblere Bestattungszeiten, unter anderem auch samstags und "nicht zu den oftmals fixen Zeiten unter der Woche" zum modernen Konzept dazu. "Der Friedhof ist nicht nur ein Ort für die Verstorbenen, sondern auch für die Angehörigen".

Info-Center ist bundesweit einzigartig

Einmalig in Deutschland ist auch das 2002 eröffnete Info-Center am Hauptfriedhof. Es versteht sich als Anlaufstelle für Ideen, Fragen und Sorgen der Menschen rund um das Thema Friedhof. Getragen wird diese Einrichtung vom Verein zur Pflege der Friedhofs- und Bestattungskultur, zu deren Mitglieder die Stadt, Steinmetze, Holzbildhauer, Friedhofsgärtner und Bestatter gehören. Auch die beiden großen Kirchen sind mit je einem Pfarrer im Vorstand des Fördervereins vertreten.

Der Hauptfriedhof bietet seit vielen Jahren auch Trauerarbeit mit Kindern im Alter von sieben bis 14 Jahren an. Seit kurzem gibt es zudem ein Gruppenangebot für trauernde Kleinkinder im Alter von drei bis sechs Jahren. So haben dort zur bestehenden Kindertrauergruppe und der "Selbsthilfegruppe jung verwitweter Männer und Frauen" auch die Kleinsten die Möglichkeit, sich altersgerecht mit dem Verlust eines nahen Menschen auseinanderzusetzen.

Ob ein Friedhof zu den schönsten zählt, spielt für Vogel eine untergeordnete Rolle. "Das ist eine persönliche Sache", meint er. Wenn aber Konzeption und Service stimmen, hat der Ruhe- und Trauerort seiner Ansicht nach den Zweck erfüllt, den ein moderner Friedhof haben sollte.