Der späte Weg zum Glauben: Erwachsene Täuflinge

Der späte Weg zum Glauben: Erwachsene Täuflinge
20.000 Erwachsene lassen sich jedes Jahr in Deutschland in der evangelischen Kirche taufen. Trotz Mitgliederschwunds blieben die Erwachsenentaufen in den vergangenen zehn Jahren stabil.
15.10.2010
Von Sabine Damaschke

Nicht die Zukunft, sondern die Vergangenheit stand für Gabriele Monzer im Mittelpunkt, als sie sich im vergangenen Jahr taufen ließ. "Ich wollte endlich inneren Frieden bekommen", erzählt die 41-jährige Wuppertalerin. "Und mich mit meiner Lebensgeschichte aussöhnen." Zu dieser Geschichte gehören die Ausreise aus der DDR kurz vor dem Mauerfall 1989, ein mühseliger Neuanfang in Westdeutschland und eine zerrüttete Ehe, die 2004 vor dem Scheidungsrichter endete.

Mit ihrem neuen Lebenspartner und ihren zwei Kindern stand Monzer im Juni 2009 vor dem Taufbecken der Evangelischen Kirchengemeinde Langerfeld in Wuppertal und fühlte sich "wie befreit". Gemeinsam mit elf weiteren Erwachsenen ließ sie sich taufen und segnen. Für die Gottesdienstbesucher war das kein neues Bild: Seit 2005 finden in der Gemeinde jährlich Erwachsenentaufen statt. Waren es anfangs noch fünf bis sechs Taufen pro Jahr, so stieg die Zahl im vergangenen Jahr auf zwölf an.

Diesen Zuwachs führt Pfarrer Johannes Schimanowski darauf zurück, dass seine Kirche "eine sehr einladende Gemeinde" sei. Auch wenn ein derartig starker Anstieg der Erwachsenentaufen innerhalb der evangelischen Kirche eher eine Ausnahme ist, sind Erwachsenentaufen nichts Ungewöhnliches. Trotz des steten Mitgliederschwunds durch Todesfälle und Austritte blieben die Zahlen in den vergangenen zehn Jahren stabil.

Warum bist du nicht getauft, Mama?

Auslöser für die späten Taufen seien oft persönliche Krisen oder der Tod eines nahe stehenden Menschen, sagt Schimanowski. "Schwierige Lebenssituationen konfrontieren uns mit Fragen nach dem tieferen Sinn des Lebens." Der Pfarrer erlebt immer wieder, dass dann auch jene Menschen nach Gott fragen, die in einem kirchenfernen Elternhaus aufwuchsen. Manchmal spielt auch der Wunsch eine Rolle, kirchlich zu heiraten oder eine Patenschaft zu übernehmen.

Alexandra Rudnik etwa entschloss sich zur Taufe, nachdem ihre Freundin sie gebeten hatte, Patin für das noch ungeborene Kind zu werden. Sie sei ganz begeistert von der Idee gewesen, berichtet sie. "Aber als ich nach unserem Gespräch den Hörer auflegte, da fiel mir ein, dass ich ja keine Patin werden kann." Schließlich gehört sie keiner Kirche an und wurde nie getauft. Also meldete sie sich für die Taufe im kommenden Jahr an.

Dass sie in der Wuppertaler Gemeinde zuvor einen Glaubenskurs besuchen muss, stört die 36-jährige Mutter nicht. Im Gegenteil. "Meine beiden Söhne haben mich oft gefragt, wieso ich nicht getauft bin", erläutert Rudnik. "Jetzt möchte ich ihnen genaue Antworten geben können, warum ich mich taufen lasse."

Taufkurse: "Im Entschluss bestärkt"

Denn die Patenschaft sei zwar der Auslöser für ihren Entschluss gewesen, nicht aber der alleinige Grund, betont sie. "In den letzten Jahren habe ich es zunehmend als ein Versäumnis empfunden, nicht zur Kirche zu gehören", gibt die Wuppertalerin zu. Nach einigen Todesfällen in der Familie und eigenen Erkrankungen stelle sie heute viel mehr Fragen nach dem Sinn des Lebens und hoffe, im christlichen Glauben Antworten zu finden.

In den Taufkursen für Erwachsene wird nach Schimanowskis Worten viel diskutiert. Dabei gehe es natürlich um theologische Fragen wie: Woran glauben wir? Wer war Jesus? Was bedeuten die zehn Gebote? Wie kann ich beten lernen? Aber auch gesellschaftliche Themen wie der Bundeswehreinsatz in Afghanistan, Schwangerschaftskonflikte oder Ehe, Liebe und Untreue spielten eine Rolle.

"Die Kurse sind oft sehr persönlich", erzählt der Pfarrer. Er habe noch nie erlebt, dass ein Teilnehmer die vier Abende einfach absitze und völlig unberührt in die Taufe gehe.

Gabriele Monzer jedenfalls will ihren Glaubenskurs nicht missen. "Ich fühlte mich dort gut aufgehoben und wurde in meinem Entschluss bestärkt, mich taufen zu lassen", sagt sie. Die vielen negativen Erinnerungen an ihre Ehe und ihre schwierige Jugendzeit habe sie loslassen können. "Die Taufe war in diesem Prozess ein wichtiger Schritt für mich."

epd