Regenwurm im Bankett: Wirbel um Kreml-Essen für Wulff

Regenwurm im Bankett: Wirbel um Kreml-Essen für Wulff
Normalerweise ist das Festbankett die Krönung jeden Staatsbesuchs. Bei einem Essen für Bundespräsident Wulff im Kreml soll allerdings einem der Ehrengäste ein Regenwurm zum Salat serviert worden sein. In Russland führte die unappetitliche Fleischbeilage nun zum Eklat: Weil er den Regenwurm twitterte, soll ein Regionsgouverneur seinen Hut nehmen.
14.10.2010
Von Ulf Mauder

Ausgerechnet ein Regenwurm bei einem Staatsbankett im Kreml hat den in Russland bisher kaum bekannten Bundespräsidenten Christian Wulff (51) schlagartig zur Berühmtheit gemacht. Bisher war Wulffs noch bis Freitag dauernde Tour durch das größte Land der Erde kaum einem Russen aufgefallen. Doch bei ihnen wird der erste Staatsbesuch eines Bundespräsidenten seit acht Jahren wohl vor allem wegen der "Regenwurm-Affäre" nachwirken. Der Gouverneur von Twer, Dmitri Selenin, der den Wurm angeblich auf seinem Salatteller hatte und die Panne mit einem Foto per Twitter öffentlich machte, muss nun vielleicht sogar seinen Hut nehmen.

Zwar wird an höchster Stelle im Kreml noch gestritten, ob im Essen tatsächlich der Wurm stecken konnte - bei all den strengen hygienischen und sicherheitstechnischen Auflagen. Immerhin verlautete wegen des Lärms um diese Peinlichkeit aus deutschen Delegationskreisen, dass der Salat schlecht gewaschen gewesen sei. Wulff sei aber wohlauf, bestätigte ein Delegationsteilnehmer in St. Petersburg, wo sich der Präsident am Donnerstag aufhielt.

Es geziemt sich nicht, den Regenwurm zu twittern

"Trotz der ganzen Absurdität der Situation" kündigte der Kreml-Sprecher für die Angelegenheiten des Präsidenten, Viktor Chrekow, eine Prüfung an. "Ich bezweifle, dass das Sicherheitssystem durchbrochen werden konnte", sagte Chrekow. Chefkoch Anatoli Galkin nannte die Geschichte "Unsinn". Der Sicherheitsdienst im Kreml stellte die Echtheit des Fotos, das Selinin im Internet veröffentlicht hatte, infrage. Selenin hatte den für den Kreml belastenden Beweis in dem Portal seines Kurznachrichtendienstes Twitter rasch gelöscht.

Weder die Tischdecke noch das restliche Ensemble stimmten mit dem angeblichen "Tatort" im prunkvollen Alexander-Saal überein, hieß es in einer ersten Stellungnahme von Experten. Es gezieme sich auch nicht für einen Funktionär, den Fall an die große Glocke zu hängen, sagte Chrekow nach Angaben der Agentur Interfax. "Wenn etwas nicht recht ist, sollte man ruhig das Personal darauf aufmerksam machen - und gut." Vielleicht handele es sich bei dem angeblichen Wurm in Wahrheit auch um einen Streifen Schinken oder rote Beete, meinten andere.

Der "Beweis besonders frischer Biokost"

Der Beschuldigte selbst ließ mitteilen, dass er die Angelegenheit mit Humor genommen habe und so etwas im besten Hause vorkommen könne. Doch Russlands Spitzenfunktionäre ging dieser Spaß offenkundig zu weit. Dabei dürfte die Topbeamten vor allem der kesse Ton Selenins gestört haben. Der schrieb nämlich bei Twitter, der Regenwurm sei wohl ein Beweis besonders frischer Biokost.

Medwedews einflussreicher Berater Sergej Prichodko legte Selenin indirekt den Rücktritt nahe - wegen "Blödheit". Selenins Aktion sei "unverantwortlich und dumm". Über die Posten der Gouverneure in Russland entscheidet aber letztlich der Präsident. Ist Selenin, der in Twer auch mit für die Städtepartnerschaft zu Wulffs Heimatort Osnabrück zuständig ist, zu halten? Darüber entscheidet die Prüfung des Skandals durch den Kreml.

Die Machtzentrale drohte Selenin schon einmal vorsorglich wegen der internationalen Bloßstellung eine Verleumndungsklage an. Einen Schaden für die deutsch-russischen Beziehungen, wie einige russische Blogger mutmaßten, sah aber auf offizieller Seite niemand.

dpa