Journalisten leiden unter wirtschaftlichem Druck

Journalisten leiden unter wirtschaftlichem Druck
Beim Leipziger Medienkongress stand auch die deutsche Presse und deren Freiheit zur Debatte.
10.10.2010
Von Corinna Buschow

Die Bilder, die die Teilnehmer am ersten internationalen Medienkongress in Leipzig von der Pressefreiheit in Deutschland zeichnen, klingen dramatisch: Journalisten, die nur noch am Computer sitzen und nicht mehr am Geschehen teilnehmen; Anzeigenkunden, die fest angestellte Redakteure erpressen; freie Mitarbeiter, die nicht mehr so genau hinschauen, weil sie unter finanziellem Druck schnelle und viele Beiträge liefern müssen.

Die Medienstiftung der Leipziger Sparkasse hatte zu ihrem zehnjährigen Bestehen Journalisten aus aller Welt dazu eingeladen, darunter zahlreiche Preisträger des von ihr vergebenen Medienpreises für besonders engagiertes Eintreten für Pressefreiheit. Die Wahl des Datums fiel auf den 9. Oktober, jenen Tag, an dem vor 21 Jahren in Leipzig 70.000 Menschen für demokratische Reformen in der DDR auf die Straße gingen, das Ende des SED-Regimes einleiteten und damit auch Meinungsfreiheit ermöglichten.

Journalisten werden bedroht

Gerade die Preisträger, die in ihren Heimatländern für enthüllende Recherchen bedroht werden, wurden nicht müde, das Vorbild der Montagsdemonstrationen zu betonen. Neben ihren Berichten über Morddrohungen, körperliche Gewalt, Inhaftierungen und andere Einschüchterungsversuche verblassten die deutschen Klagen. Trotzdem stimmten die Appelle der deutschen Teilnehmer nachdenklich. Sie klagten vor allem über wirtschaftlichen Druck.

Da ist zum einen der Spardruck in vielen Zeitungen, weil Anzeigenkunden abhanden gehen. Die Chefreporterin der in Cottbus erscheinenden "Lausitzer Rundschau" macht sich vor diesem Hintergrund vor allem Sorgen um die Verfügbarkeit von Reportern auf dem Land. "Ich habe Zweifel, ob überhaupt noch Leute mit journalistischer Kompetenz da sind, die der Wahrheit nachspüren", sagte Simone Wendler, die 2002 den Medienpreis erhalten hatte.

Sie verwies auf Landstriche in den neuen Bundesländern, in denen Vertreter der rechtsextremen NPD in Gemeinderäten angekommen sind. In manchen dieser Regionen sei kein Lokaljournalist mehr verfügbar. "Die können da quasi ohne öffentliche Kontrolle machen, was sie wollen", mahnte Wendler.

Aggressive Medienanwälte

Roman Arens, Vorsitzender des Vereins "Journalisten helfen Journalisten", beklagte eine zu geringe Bereitschaft für das Bezahlen von Recherche. "Ein Korrespondent muss auch mal tagelang unterwegs sein können, obwohl nur heiße Luft rauskommt." Stattdessen wachse aber die Anzahl von "prekär" beschäftigten Journalisten, klagte er.

Deren Lage werde noch verschärft, wenn sie sich vor Strafurteilen und damit verbundenen hohen Geldstrafen fürchten müssten, betonte auch Simone Wendler. Als Beispiel nannte sie das Urteil des Dresdner Amtsgerichts gegen zwei freie Journalisten, die im Zuge der sogenannten Sachsensumpf-Affäre Recherchen über die mutmaßliche Verwicklung des heutigen Präsidenten des Dresdner Amtsgerichts veröffentlicht hatten.

Wegen Verleumdung waren sie jeweils zu einer Geldstrafe von 2.500 Euro verurteilt worden. Die Journalisten haben dagegen Revision eingelegt. Überhaupt erschwerten "aggressive Medienanwälte" zunehmend die Arbeit von Journalisten, sagte der "Stern"-Reporter Hans-Martin Tillack, der ebenfalls Medienpreisträger ist.

Journalismus im Internet

Andere Gefahren für die Pressefreiheit sieht der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans Hugo Klein. Er kritisierte in Leipzig scharf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als "Hätschelkinder der Politik", die private Wettbewerber wie Rundfunk- und Presseunternehmen verdrängen wollten. Rettung verspricht aus seiner Sicht das Internet.

Andere Kongress-Teilnehmer sind da skeptisch, fehlt doch nach wie vor die Antwort auf die Frage, wie im Netz Inhalte und damit die Arbeit von Journalisten finanziert werden können. Simone Wendler sorgt sich außerdem um das Verschwinden der Grenzen im Internet zwischen Medienberichterstattung und dem allgemeinen Geplapper der Nutzer via Twitter oder in Blogs. "Wir müssen uns auch mal fragen, was unsere Profession überhaupt zur Profession macht", so die Reporterin.

Nach den Klagen der Journalisten fehlte am Ende der Leipziger Fachtagung aber auch die Forderung an die Journalisten nicht, sich in puncto Pressefreiheit hin und wieder an die eigene Nase zu fassen. Meinungsfreiheit sei nicht nur Privileg, sondern Auftrag, sagte Medienexperte Michael Haller. Da helfe auch das Schimpfen auf das Internet nichts, "denn der Rückgang journalistischer Leistungen ist älter als das Netz".

epd