TV-Tipp des Tages: "Die schlafende Schöne"

TV-Tipp des Tages: "Die schlafende Schöne"
In diesem ORF-Krimi spielt eine Stradivari die erste Geige. Außerdem hat "Tatort"-Ermittler Moritz Eisner so etwas wie ein Privatleben. Natürlich in Form einer jungen Dame.
08.10.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Die Schlafende Schöne", Freitag, 8. Oktober, 21.45 Uhr im Ersten

Die deutschen Ermittler lassen sich ja schon seit geraumer Zeit immer wieder vom Privatleben ablenken. Dies war der erste "Tatort" aus Wien, in dem es auch Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) erwischte; der war bis dahin immun dagegen. Als er früh morgens von einem Tatort heimkommt, sitzt ein junges Mädchen vor seiner Tür; es ist das Resultat eines Griechenlandurlaubs. Immerhin darf der gern gereizte Eisner seither regelmäßig auch ein paar weiche Seiten offenbaren.

Die musikalischen Ambitionen der kessen Claudia (Sarah Tkotsch) kommen ihm zudem gelegen, denn er muss einen Mord in Musikerkreisen aufklären: Quasi in flagranti, mitten im Seitensprung, wird ein junger Mann im Bett einer Musikprofessorin (Suzanne von Borsody) ermordet; ihr Gatte weilt derweil auf Konzertreise. Für Eisners Chef (Hubsi Kramer) ein Alptraum, denn die Tat entpuppt sich als Fall mit drei M: "Mord, Minderheit, Medien" – der Tote ist Zigeuner. Dabei hat die Tat alles andere als rassistische Hintergründe.

Dieter Berner (Buch und Regie) ist sichtlich bemüht, mit allen möglichen Mitteln gegen das leicht piefige Image der ORF-Krimis anzufilmen. Kameramann Charles Finkbeiner darf diverse Register seines vorbildlichen Könnens ziehen, und viele Szenen spielen im Halbdunkel. Das macht den Film optisch zwar interessanter, doch der geteilte Bildschirm bei Telefongesprächen wirkt reflexhaft und aufgesetzt. Die Geschichte hätte derlei ohnehin nicht nötig gehabt, denn Berner hat sich allerlei hübsche Volten einfallen lassen. Eine besonders zwielichtige Rolle spielt Leopold Landauer (Fritz Karl), der betrogene Ehemann, der seinerseits eine Affäre hat. Dritte im Bunde der Lebensgemeinschaft ist eine für drei Millionen Euro versicherte, eigentlich aber unbezahlbare 300 Jahre alte Stradivari. Das ehrwürdige Instrument gehört der an Parkinson erkrankten Professorin; nach dem Überfall ist es verschwunden.

Um der Authentizität willen ließ Berner seine Schauspieler mit einer echten Stradivari arbeiten. Prompt machte er die Geige auch zur Titelfigur: "Die schlafende Schöne". In einer Hinsicht ist der Krimi ohnehin gewinnbringend: Die damals 17-jährige, bloß 1.55 Meter kleine Berlinerin Sarah Tkotsch gehört seither sofort zum festen Ensemble des "Tatorts" aus Wien.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).