Eine Modellregion für neue Gottesdienstformen

Eine Modellregion für neue Gottesdienstformen
Wie können evangelische Kirchengemeinden den Gottesdienst wieder attraktiver gestalten? Der Kirchenbezirk Mosbach in Baden sucht nach innovativen Lösungen.
06.10.2010
Von Ralf Schick

Rund vier Prozent aller Protestanten gehen Statistiken zufolge regelmäßig zum sonntäglichen Gottesdienst. Nicht viel anders sieht es im badischen Kirchenbezirk in Mosbach im Neckar-Odenwald-Kreis aus. Doch dort suchen haupt- und nebenamtliche Kirchenmitarbeiter nach Wegen, wie sie dem Abwärtstrend entgegenwirken können.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat deshalb Mosbach zur "Modellregion zur Entwicklung gottesdienstlicher Arbeit" auserwählt. An diesem Samstag erarbeiten im nahen Schefflenz rund 180 Mitarbeiter und Referenten bei der ersten "Mitarbeiter-Uni" ein neues Gottesdienstprofil.

Gelungene Beispiele suchen

"Die Pfarrer müssen Neues lernen", sagt der Mosbacher Dekan Dirk Keller. So könne man etwa mit Pfarrern, Kirchenältesten und Mitarbeitern beraten, was einen guten Gottesdienst ausmache. "Wo etwa gibt es gelungene Beispiele in der Region, die andere anregen könnten? Oder wie kann der Kirchenbezirk die örtlichen Gemeinden in ihrer Entwicklung unterstützen und mit ansprechenden Gottesdiensten Leute noch neugieriger machen?", fragt sich der Theologe.

In einer Allianz im Kampf gegen den Abwärtstrend arbeiten 30 evangelische Gemeinden im Kirchenbezirk Mosbach in dem Projekt "Wachsende Kirche" enger zusammen. Es sollen neue "Gottesdienstlandschaften" entstehen, so der Dekan. In den nächsten zwei Jahren wollen wir "neue Rezepte für ein modernes Gottesdienstprofil vorlegen".  Schließlich hat sich auch die EKD für die nächsten Jahre ehrgeizige Ziele gesetzt: Bis zum Jahr 2030 soll der Gottesdienstbesuch von heute knapp vier Prozent der Kirchenmitglieder auf zehn Prozent gesteigert werden, heißt es im 2006 veröffentlichten Impulspapier "Kirche der Freiheit".

Ende der Konkurrenz

"Wir wollen die Qualität der Gottesdienste steigern und uns untereinander vernetzen", beschreibt Keller die Kernpunkte der Vereinbarung der Mosbacher Kirchengemeinden, die von rund 20 Pfarrern initiiert wurde. Statt wie bisher zu konkurrieren, "wollen wir uns zum Beispiel mit einem gemeinsamen Veranstaltungskalender präsentieren und auf die unterschiedlichen Gottesdienste verweisen".

"Kein anderer Kirchenbezirk in ganz Baden ist näher dran an diesem Thema", sagt Oberkirchenrat Matthias Kreplin, Leiter des Referates Verkündigung in Gemeinde und Gesellschaft in der badischen Landeskirche. Mosbach sei ein gelungenes Beispiel dafür, wie sich Haupt- und Ehrenamtliche in der evangelischen Kirche auf den Weg machen, "das gottesdienstliche Leben ihrer Gemeinde wertzuschätzen und mit Augenmaß weiterzuentwickeln", sagt auch Folkert Fendler, der Leiter des EKD-Zentrums für Qualitätsentwicklung im Gottesdienst in Hildesheim.

Blick über den Kirchturm hinaus

Die Kirche sollte nach Auffassung der Experten regional mehr auf Zusammenarbeit setzen, um ihre Hauptaufgaben auch künftig leisten zu können. Der Blick über den Kirchturm hinaus sei wichtiger denn je, sagt auch der Heidelberger Theologieprofessor Wilfried Härle, der die Mosbacher Entwicklung theologisch begleitet. Wo Konkurrenzdenken untereinander überwunden worden sei, dort seien die Gemeinden auch wieder gewachsen. Entscheidend sei jedoch, dass die Zusammenarbeit von den Beteiligten gewollt sei, sagt Härle.

Im Verhältnis von traditionellen zu besonderen Gottesdiensten gebe es Bewegung, beobachtet Dekan Keller. "Wir haben Mundart-, Lobpreis- oder Kantatengottesdienste, dazu Gottesdienste mit Hip-Hop-Musik - wir müssen nur mehr Respekt vor anderen Gottesdienstformen bekommen, auch wenn mancher Gottesdienst nicht unbedingt mein Ding ist und mich nicht anspricht", sagt der Theologe.

epd