Wulffs erste Rede als Präsident: Integrationstest bestanden

Wulffs erste Rede als Präsident: Integrationstest bestanden
Der Druck auf den Bundespräsidenten war enorm. Bei der zentralen Einheitsfeier am Sonntag in Bremen waren alle Blicke auf Christian Wulff gerichtet. Das bislang jüngste deutsche Staatsoberhaupt hielt zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit seine erste programmatische Rede. Nach der Kritik an Wulffs Amtsführung in den vergangenen Wochen wurde die Ansprache zum Präsidenten-Test hochstilisiert.
03.10.2010
Von Ellen Großhans

Das Thema der Rede war aktuell und brisant: Die Integration zugewanderter Menschen in Deutschland. Nach den biologistischen Thesen von Ex-Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin über muslimische Migranten bewegte sich der Bundespräsident hier auf einem politischen Minenfeld.

Doch Wulff ließ sich nicht beirren. Er beging weder den Fehler, Sarrazin direkt zu attackieren, noch dessen Anhänger durch populistische Einlassungen mitnehmen zu wollen, wie dies zuvor SPD-Parteichef Sigmar Gabriel versucht hatte. Stattdessen schlug der 51-Jährige einen versöhnlichen und optimistischen Ton an, der an das Wir-Gefühl der Deutschen appellierte.

Immer wieder zitierte Wulff den legendären Ruf der Einheit "Wir sind ein Volk", der eine Einladung an alle sein müsse, die in Deutschland lebten. Es gehe darum, Deutschland in gemeinsamer Anstrengung zu einem Zuhause für alle zu machen.

Auch der Präsident der Muslime in Deutschland

Der Bundespräsident scheute aber auch nicht die klaren Worte, die die Opposition im Bundestag während der Sarrazin-Debatte von ihm vermisst hatte. "Unser Land muss Verschiedenheit aushalten und es muss sie sogar wollen", redete Wulff der Bevölkerung ins Gewissen.

Zugehörigkeit dürfe nicht auf einen Pass, eine Familiengeschichte oder einen Glauben verengt werden. Neben dem Christentum und dem Judentum gehöre inzwischen auch der Islam zu Deutschland. "Natürlich bin ich auch der Präsident der Musliminnen und Muslime", sagte Wulff in Bremen unter großem Applaus.

Mit dieser klaren Positionierung für ein offenes Deutschland, das gleichzeitig konsequent für die Umsetzung von Regeln und Pflichten einsteht, bestärkte Wulff sein Versprechen, Integration zu einem inhaltlichen Schwerpunkt seiner Amtszeit zu machen.

Bereits in seiner Antrittsrede als Staatsoberhaupt hatte er betont, zu einem besseren Umgang mit der kulturellen Vielfalt in Deutschland beitragen zu wollen. Seine Ankündigung, in der "bunten Republik Deutschland" Brücken bauen zu wollen, brachte ihm viel Anerkennung ein. Auch als niedersächsischer Ministerpräsident setzte sich Wulff schon glaubwürdig für die Integration von Muslimen in Deutschland ein. In Hannover holte er Aygül Özkan als erste türkischstämmige Ministerin Deutschlands in sein Kabinett.

Erwartungen erfüllt, jetzt kommt der Rest der Präsidentschaft

In seiner Rede hat der neue Bundespräsident aber auch gezeigt, dass er mutig Missstände anprangern kann und dennoch seine Überparteilichkeit nicht verliert. Wulff bezeichnete die Integrationsdebatte als notwendig. Sie dürfe aber nicht zu Verletzungen von Mitbürgern mit ausländischen Wurzeln führen. "Lassen wir uns nicht in eine falsche Konfrontation treiben", bat er eindringlich.

Genau diese Balance hatte der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident in seinen zurückliegenden fast 100 Tagen im Amt häufig vermissen lassen. Viele sahen es als unzulässige Einmischung an, dass der Bundespräsident den Bundesbank-Vorstand aufforderte, den Fall Sarrazin nun endlich zu lösen. Umstritten war auch Wulffs Appell an den Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) nach der Love-Parade-Katastrophe, zu seiner politischen Verantwortung unabhängig von konkreter persönlicher Schuld zu stehen.

Die Erwartungen an seine erste programmatische Rede hat das Staatsoperhaupt erfüllt - Integrationstest bestanden. Den Präsidenten-Test hat Wulff damit aber noch lange nicht hinter sich. Seine Präsidentschaft muss sich daran messen lassen, ob er kontinuierlich den Finger in die Wunde legt, ohne sich dabei in Parteiengezänk zu verheddern. Dann könnte der junge Präsident zum wirklichen Brückenbauer in der bunten Republik Deutschland werden.

epd