Widerstand gegen die zweite Vertreibung der Familie B.

Widerstand gegen die zweite Vertreibung der Familie B.
Die Geschichte von Familie B. ist dramatisch: Vor elf Jahren ist sie aus dem Kosovo nach Deutschland geflohen. Seitdem werden Vater, Mutter und ihre vier Kinder von den deutschen Behörden lediglich geduldet. Zwei der Kinder sind hier geboren. Wie ihre älteren Geschwister fühlen sie sich in Deutschland zu Hause, haben viele Freunde und sind auch in der Schule gut integriert. Jetzt aber sollen sie abgeschoben werden.
29.09.2010
Von Thorsten Leißer

Doch obwohl der Vater eine feste Arbeit als Vorarbeiter bei dem Bau einer ICE-Trasse hat und seine Familie eigenständig ernähren kann, bekommt die Familie kein Bleiberecht. Stattdessen verlangt die zuständige Ausländerbehörde, dass sie sich kosovarische Pässe besorgt, was von Deutschland aus nicht geht. Um aber dafür in den Kosovo zu reisen, braucht Familie B. Dokumente, welche wiederum die Ausländerbehörde verweigert.

Tausende Betroffene

Das Schicksal von Familie B. ist kein Einzelfall. So wie ihnen ergeht es etwa 10.000 Roma aus dem Kosovo: Ihre Situation ist nach wie vor ungeklärt. Offiziell müssen sie in den Kosovo zurückkehren, obwohl viele dieser Roma noch 1999 unter den Augen der internationalen Gemeinschaft aus Kosovo vertrieben und ihre Häuser zerstört wurden. Das regelt ein Rücknahmeabkommen zwischen der Bundesrepublik und der Republik Kosovo. Aber internationale Beobachter sind sich einig: Eine Rückkehr dieser Menschen in Würde und Sicherheit ist nicht möglich.

Die humanitäre Lage in den von Roma besiedelten Gebieten des Kosovo stellt sich immer noch als bedrohlich und unmenschlich dar, was vor allem an den ethnischen Spannungen und der miserablen Wirtschaftslage liegt. Diesen Schluss zieht der Europäische Kommissar für Menschenrechte, Thomas Hammarberg, der in seinen Berichten die Lebensbedingungen für Roma im Kosovo als höchst problematisch darstellt. Auch der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, António Guterres, kommt zu einer ähnlichen Einschätzung der Situation vor Ort.

Kirche: "Rückkehr in Würde nicht möglich"

Vor diesem Hintergrund setzen sich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und das Diakonische Werk der EKD nach wie vor für ein Bleiberecht für Menschen wie Familie B. ein, die langjährig in Deutschland geduldet werden und sich mittlerweile trotz widriger Umstände gut integriert haben. Sie halten es für erforderlich, die Beurteilung des Kosovo im Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu überprüfen, das Rückübernahmeabkommen mit Kosovo auszusetzen und anzuerkennen, dass "eine Rückkehr in Sicherheit und Würde nach wie vor nicht möglich" ist.

Der EKD-Auslandsbischof Martin Schindehütte hatte bereits zum Tag der Menschenrechte 2009 einen Abschiebestopp für Kosovo-Roma gefordert. Er appelliert an die Verantwortlichen, diesen Menschen endlich eine verlässliche Lebensperspektive zu eröffnen.


Thorsten Leißer ist Theologischer Referent für Menschenrechte und Migration im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).