Das Spiel mit der Erinnerung in den "Jahreszeiten"

Das Spiel mit der Erinnerung in den "Jahreszeiten"
Der französische Künstler und Autor Blexbolex ist am Freitag mit dem Illustrationspreis für Kinder- und Jugendbücher des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP) ausgezeichnet worden. Sein Buch "Jahreszeiten" animiere nicht nur die Fantasie von Kindern und Jugendlichen, sondern lade auch Erwachsene zum Träumen ein, heißt es in der Begründung der Jury. Die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung wurde im Frankfurter Römer verliehen.

Für wen haben sie dieses Buch gemacht?


Blexbolex: Ich glaube, das Buch funktioniert für Kinder ab drei Jahren. Und auch Erwachsene können es lesen und werden es vielleicht mögen. Am besten ist es, wenn Kinder und Eltern es zusammen lesen. Es gibt verschiedene Ebenen im Buch. Man kann nur Bilder angucken und dann die Worte. Aber Bilder und Worte zusammen ergeben eine Art Musik, ein Zusammenspiel. Es ist eigentlich ein Buch für jeden.


Was erfahren die Leser und Betrachter?


Blexbolex: Kinder können zum Beispiel ein paar Wörter lernen und eine Ahnung von den verschiedenen Jahreszeiten bekommen, also zum Beispiel lernen, welche Dinge gehören zu welcher Jahreszeit. Und sonst geht es darum, dass Kinder und Eltern zusammen Spaß haben.

Erzählt das Buch eine Geschichte?


Blexbolex: Es erzählt nicht nur eine Geschichte, sondern mehrere. Das Buch wechselt zwischen den Jahreszeiten hin und her. Da gibt es zum Beispiel die Geschichte eines Blattes, wie es im Frühling aussieht und wie es welk wird im Herbst. Das sind sehr einfache Geschichten, die vor allem für die ganz kleinen Kinder da sind. Dann gibt es komplexe Geschichten mit Dingen, die nicht real sind. Und die Geschichte eines Hauses, das am Ende zerstört ist. Aber ich will nicht alles verraten, man soll es merken oder nicht. Es ist auch nicht schlimm, nicht jede Geschichte zu erkennen. Es ist auch ein Spiel mit Erinnerungen: zu merken was zusammen gehört und Dinge und Leute wiederzufinden. Und schön wäre, wenn die Vorstellungskraft dann noch über die Bilder hinausginge.

Was für ein Konzept hatten sie?


Blexbolex: Das Wort Konzept gefällt mir nicht, es gibt eher eine Idee. Die erste Idee ist, wie kann man Jahreszeiten erkennen? Und die zweite: Mit welchen Erinnerungen verbindet man eine bestimmte Zeit? Es geht um die persönliche Zeit die vergeht und an die man sich erinnert. Ohne Erinnerungen gibt es keine Zeit. Und mit diesen Erinnerungen, den Assoziationen, die ein Leser zu den jeweiligen Jahreszeiten hat, arbeite ich.


Das Buch heißt Jahreszeiten. Wie greifen sie das in der Struktur des Buches auf?


Blexbolex: Das erste Bild symbolisiert alle Jahreszeiten in einem Kreis. Ein Mann schwimmt in der Mitte des Bildes und kreuzt diesen Zirkel. Und diese Linie auf der er schwimmt symbolisiert das Leben. Es gibt mehrere Male den Frühling im Buch. Die Frage ist: erzähle ich mehrere Geschichten die parallel geschehen oder sind es viele Jahre hintereinander? Man weiß es nicht. Wenn sich die Jahreszeiten im Buch wiederholen, werden sie umfangreicher, immer ungefähr doppelt so viele Seiten lang. Man weiß nicht, ob die Zeit sich erweitert oder dieselbe Geschichte mit mehr Details nochmal erzählt wird. Normalerweise hätte das Buch nach den ersten vier Seiten fertig sein können. Alle vier Jahreszeiten sind dort abgebildet. Am Anfang könnte man sagen, es geht im Buch um die Kindheit, aber dann kommen Jugendliche, Erwachsene, Alte. Und ganz am Ende kommt wieder die Kindheit.

Wie ist "Jahreszeiten" entstanden?


Blexbolex: Ich habe ein bisschen mehr als ein Jahr gebraucht und habe erst Worte auf einer Liste gesammelt. Und dann wusste ich, in welche Richtung ich gehen wollte. Die Bilder sind dann erst in meinem Kopf präsent, sehr präzise, wie Tafeln. Dann entstanden die Bilder am Computer. Skizzen mache ich eigentlich keine, es sei denn, mir ist noch nicht klar, wie das Bild genau aussehen soll. Dann zeichne ich für mich. Aber in der Regel entstehen die Bilder in meinem Kopf. 


Lilith Becker ist freie Journalistin und arbeitet in Frankfurt am Main, u.a. für evangelisch.de.