Opposition will nicht mehr mit Steinbach zusammenarbeiten

Opposition will nicht mehr mit Steinbach zusammenarbeiten
Der Druck auf Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach wächst weiter, die Opposition im Bundestag will nicht mehr mit ihr zusammenarbeiten. Sie solle ihr Bundestagsmandat aufgeben, verlangt beispielsweise Ministerpräsident Kurt Beck (SPD).

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) warf der CDU-Bundestagsabgeordneten am Freitag schwere Belastung der deutsch-polnischen Beziehungen vor. Er forderte sie zum Verzicht auf ihr Bundestagsmandat auf. Steinbachs abfällige Äußerungen über den polnischen Deutschland-Beauftragten Wladyslaw Bartoszewski seien eine "Widerlichkeit" und ein "Skandal, wie ich ihn in internationalen Beziehungen sonst nur von Rechtsradikalen kenne", sagte Beck der Nachrichtenagentur dpa.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) mahnte zur Mäßigung im Umgang mit Polen. Das Verhältnis beider Länder sei "immer noch empfindlich". Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht aber keine Gefahr einer neuen diplomatischen Krise mit dem Nachbarland: Zwischen beiden Ländern herrsche ein sehr "freundliches, freundschaftliches, gutes Verhältnis, das durch Einzeläußerungen mit Sicherheit nicht ernsthaft zu trüben ist", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Steinbach verteidigte ihre Äußerungen. Zwar räumte sie im ZDF einen nicht ganz freundlichen Ton ein. In der Sache nahm sie die Aussage, der 88 Jahre alte Auschwitz-Überlebende und frühere polnische Außenminister habe einen "schlechten Charakter", aber nicht zurück. Ihre Einschätzung sei aus "sehr persönlichen Erfahrungen" erfolgt, sagte Steinbach.

Steinbach fühlt sich als "blonde Bestie" verunglimpft

Zu diesen Erfahrungen zähle, dass sie seit ihrem Amtsantritt als Verbandspräsidentin vor zwölf Jahren schwersten Attacken aus Polen ausgesetzt sei. Dort habe man sie zum Beispiel als "blonde Bestie" verunglimpft oder eine Puppe mit ihren Zügen verbrannt, sagte Steinbach. In Deutschland habe es niemanden gegeben, der sie dagegen in Schutz genommen habe. Dies habe Spuren hinterlassen. «Dass ich mich gegenüber einem 88-jährigen alten Herrn etwas freundlicher hätte ausdrücken können, will ich unumwunden einräumen», sagte Steinbach. Aber es steckten bei ihr auch eine ganze Menge Verletzungen dahinter.

Merkel (CDU) versicherte dem polnischen Regierungschef Donald Tusk bei einem Treffen am Rande des EU-Gipfels, welche hohe Achtung sie vor der Leistung und Persönlichkeit Bartoszewskis habe. Die Begegnung mit Tusk sei «sehr freundschaftlich, sehr herzlich und vollkommen ungetrübt» verlaufen, sagte Regierungssprecher Seibert.

Die Opposition will aber nicht mehr mit Steinbach zusammenarbeiten. Der frühere SPD-Chef Beck sagte der dpa, es dürfe "niemand für Deutschland sprechen, wenn man auf diese Art und Weise den wohl abgewogenen Interessen Deutschlands und Europas widerspricht. Das ist in keiner Weise mehr tolerabel. Es ist eine Widerlichkeit."

"Außer Kontrolle geratene politische Dampfwalze"

Der amtierende SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Joachim Poß, forderte "deutliche personelle Konsequenzen, um Schaden von Deutschland abzuwenden". Eine Abberufung aus dem Fraktionsvorstand und aus dem Menschenrechtsausschuss "wäre das Mindeste", sagte er der dpa. Dasselbe forderte auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck. "Es ist außenpolitisch unverantwortlich und innenpolitisch unanständig, weiter an der außer Kontrolle geratenen politischen Dampfwalze Steinbach festzuhalten." Die Spitze der Unionsfraktion wies die Forderungen zurück. Die Äußerungen Steinbachs seien als persönliche Stellungnahme zu sehen, hieß es.

Steinbach schlägt nun aber erstmals auch der Gegenwind aus dem Bund der Vertriebenen entgegen. Präsidiumsmitglied Stephan Mayer (CSU) nannte Steinbachs Äußerungen in der "Passauer Neuen Presse" (Freitag) "alles andere als hilfreich" und "denkbar unglücklich".

Steinbach war erst vergangene Woche mit Äußerungen über die polnische Mobilmachung vor dem Zweiten Weltkrieg in der CDU unter Druck geraten. Daraufhin hatte sie ihren Rückzug aus dem Parteivorstand angekündigt.

dpa