Babytod: Klinik ohne Schuld - Keime kamen mit Flasche

Babytod: Klinik ohne Schuld - Keime kamen mit Flasche
Es war eine defekt angelieferte Infusionsflasche, nicht die Schuld des Krankenhauses: Im Skandal um drei tote Babys sieht sich die Mainzer Uniklinik von neuen Erkenntnissen entlastet. Die Ursachenforschung geht aber weiter.
27.08.2010
Von Julia Kilian und Imke Hendrich

Im Skandal um den Tod dreier Babys, die eine verseuchte Nährlösung bekamen, hat die Staatsanwalt am Freitag die Mainzer Uniklinik entlastet. Die Verschmutzung mit Darmbakterien kam nach bisherigen Erkenntnissen von einer defekt angelieferten Infusionsflasche mit einer Aminosäurelösung - einer der neun Zutaten für die Nährflüssigkeit. "An der Flasche wurde eine sehr hohe Belastung mit Bakterien festgestellt", sagte der Leitende Oberstaatsanwalt von Mainz, Klaus-Peter Mieth.

Diese starke Konzentration könne nicht in den wenigen Stunden zwischen Herstellung in der Klinikapotheke und Verabreichung entstanden sein, sagte Professor Martin Exner, Direktor des Instituts für Hygiene der Universität Bonn. Die Mainzer Klinik reagierte erleichtert. Möglicherweise drangen die Keime bei Produktion oder Transport wegen eines Materialfehlers in die Flasche. Solche Fehler seien sehr selten, aber doch immer wieder einmal als Ursache für kontaminierte Infusionslösungen gefunden worden, sagte der Medizinische Vorstand der Uniklinik, Norbert Pfeiffer.

Klinik-Apotheke sieht sich entlastet

Mieth betonte: "Wir haben Anlass zu der Annahme, dass es irgendwo zwischen Abfüllung und Eintreffen in der Uniklinik zu der Beschädigung und der Verkeimung an der Flasche gekommen ist." Ob die Keime in der Infusion zum Tod der drei Babys auf der Intensivstation führten, ist weiterhin unklar. Sie waren alle als Frühchen oder von einem Herzfehler stark geschwächt.

"Wir sehen uns durch die Ergebnisse komplett entlastet", sagte die Direktorin der Klinik-Apotheke, Professorin Irene Krämer. "Die Beschädigung konnte nicht entdeckt werden, es war vermutlich ein kleiner Haarriss." Auch seien die Keime in der Aminosäurelösung nicht konzentriert genug gewesen, um diese einzutrüben, betonte Krämer.

Nach Auskunft von Experte Exner wurde eine "sehr hohe Belastung mit Keimen" nachgewiesen: 10.000 Keime pro Milliliter, im Trinkwasser seien nur 100 Keime pro Milliliter erlaubt. Die gleichen Bakterien seien bisher bei zwei der drei gestorbenen Kindern gefunden worden. Auf die Spur der Flasche kamen die Ermittler, weil diese bei der Beweissicherung von einem leichten Fußtritt aus Versehen kaputt ging. Normalerweise hätte eine solche Flasche dies nach Expertenangaben aushalten müssen.

Im Augenblick nur Spekulationen

Nach Einschätzung von Hygiene-Professor Exner gerieten die Bakterien möglicherweise aus dem Etikett oder dem Klebstoff des Etiketts durch einen Haarriss in die Infusionsflasche. "Aber es ist alles Spekulation im Augenblick." Den Hersteller der Lösung sei informiert, sagte Mieth. Den Namen nennen die Ermittler nicht. Zur genauen Untersuchung der Flasche sollen nun Experten hinzugezogen werden.

Exner erklärte, dass die Klinik mit ihrem schnellen Handeln vermutlich den Tod weiterer Kinder verhindert habe. Insgesamt hatten vor einer Woche elf Kinder auf der Intensivstation eine mit Darmbakterien verseuchte Nährlösung bekommen. Der Zustand von vier weiteren Kindern, die nach der Nährlösung in kritischem Zustand waren, ist stabil.

Klärung der eigentlichen Todesursache wird noch Wochen dauern

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Die Klärung der Todesursache der drei Babys wird Mieth zufolge noch Wochen dauern. Klinik-Vorstand Pfeiffer sagte zu den Ermittlungen: "Auf der einen Seite löst dieses Ergebnis eine gewisse Erleichterung aus. Auf der anderen Seite sind drei Säuglinge in unserer Obhut verstorben. Das ist nach wie vor sehr schwer zu ertragen und erfüllt uns alle mit großer Trauer und Betroffenheit."

Fachmann Exner betonte, eine Expertenkommission sei nach Überprüfung der Uniklinik Mainz zu dem Schluss gekommen: "Das sind sehr, sehr hohe Qualitätsstandards, das ist schon beispielhaft." Die Klinik in Mainz nahm derweil die Produktion von Mischinfusionen in dem Reinraum wieder auf, in dem die verschmutzten Infusionen hergestellt worden waren. Die Klinik hatte den Herstellungsprozess dort zunächst freiwillig ruhen lassen.

 

dpa