TV-Tipp des Tages: "Die Schokoladenkönigin" (HR)

TV-Tipp des Tages: "Die Schokoladenkönigin" (HR)
So richtig wohl fühlt sich Sammy nur bei Julia, die ihren Vater Michael hartnäckig abblitzen lässt. Weil beide dem Kind verschweigen, dass Julia bald heiratet, bricht für Sammy eine Welt zusammen, als sie die Wahrheit selbst herausfindet.
27.08.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Die Schokoladenkönigin", 3. September, 20.15 Uhr im HR-Fernsehen

Man kennt das Muster aus vielen Freitagsproduktionen der ARD: Immer wieder tummeln sich auf dem Töpfchen-sucht-Deckelchen-Termin um 20.15 Uhr prächtige Kinder, die für ihre alleinerziehenden Eltern (gern verwitwet) ein passendes Gegenstück suchen. In diesem Film ist wieder mal eine Mama gefragt, diesmal für Samantha, die selbstredend Sammy gerufen wird. Von Suchen kann dabei allerdings eigentlich keine Rede sein, denn die perfekte Kandidatin wohnt bloß um die Ecke. Zu dumm, dass Konditorin Julia schon vergeben ist: In Kürze will sie ihren Jugendfreund Wolfgang (Ingolf Lück) heiraten. Der ist allerdings langweiliger Jurist mit schrecklich netter Familie; außerdem hat er überhaupt kein Verständnis dafür, dass Julia selbst mit viel Wohlwollen kaum in ihr Hochzeitskleid Größe 36 passt. 40, vielleicht; aber eher wohl doch 42. Kein Wunder bei dem Beruf, schließlich kommen aus ihrer Konfiserie die leckersten Pralinen und der leckerste Kuchen weit und breit. Deshalb ist der Film auch der reinste Konkurrenzkampf um den Status des Wonneproppens: Die zehnjährige junge Roxanne Borski ist zwar ein entzückendes Prachtexemplar, doch Christine Neubauer setzt regelmäßig noch einen drauf.

Fehlt nur noch der Dritte im Bunde, Sammys Vater Michael. Er wird gespielt von Hardy Krüger jr., der jedoch nicht viel zu tun hat: Er lässt sich von den beiden Damen seines Herzens abwechselnd um den Finger wickeln und rettet sich ansonsten in ein verschmitztes Grinsen. Beides gelingt ihm indes vortrefflich, und damit ist der Fernsehabend ja schon gerettet. Regisseur Matthias Kopp dürfte ohnehin kaum Probleme mit der Inszenierung gehabt haben (Drehbuch: Daniel Maximilian und Thomas Pauli nach dem Roman „Flusspferde küsst man doch“ von Britta Blum). Das einzig riskante an diesen Filmen ist schließlich die Balance: Zwar erahnen selbst Kleinkinder schon früh das Happy End, doch müssen den Liebenden zuvor glaubhafte, aber selbstredend nicht unüberwindbare Hindernisse in den Weg gestellt werden.

In diesem Fall ist das neben dem schnöseligen Wolfgang, der seine Wuchtbrumme ständig zum Joggen mitschleppt, vor allem Michael selbst: Seit dem Tod seiner Frau mag der einstige Star-Fotograf keine Menschen mehr ablichten und beschränkt sich auf Stillleben, was der Karriere nicht eben förderlich ist. Außerdem ist er hoch verschuldet, weil die Krankenkassen die aufwändige Behandlung seiner Frau in Amerika nicht bezahlt haben. Tochter Sammy wiederum ist zwar daheim der reinste Engel, in der Schule aber ein wahrer Satansbraten. So richtig wohl fühlt sie sich nur bei Julia, die Michael indes hartnäckig abblitzen lässt. Weil beide dem Kind verschweigen, dass Julia bald heiratet, bricht für Sammy eine Welt zusammen, als sie die Wahrheit selbst herausfindet.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).