Das letzte Heimspiel der Landesbischöfin a.D.

Das letzte Heimspiel der Landesbischöfin a.D.
In wenigen Tagen bricht die ehemalige Bischöfin Margot Käßmann zu einem Forschungsaufenthalt in die USA auf. Zuvor kam sie noch einmal nach Hannover. Um ein Buch vorzustellen, das eine erste Bilanz ihrer mehr als zehnjährigen Amtszeit an der Spitze der Landeskirche Hannovers zieht.
23.08.2010
Von Bernd Buchner

Eigentlich ist alles wie immer bei Margot Käßmann – fast. Die Marktkirche in Hannover ist gut besucht, auch wenn die "Überfüllt"-Schilder an diesem Montagnachmittag nicht gebraucht werden. Etwa 250 Gäste werden es sein, die die 52-Jährige noch einmal sehen wollen. Die ehemalige Bischöfin hat Hannover vor einigen Wochen verlassen, wohl in Richtung Berlin. Bald bricht sie zu einem mehrmonatigen Forschungsaufenthalt in die USA auf. Wenn sie zurückkehrt, ist ihre Nachfolge geregelt. Die in Hannover, und die in der EKD.

Doch das Wiedersehen, das ein Abschied ist, fällt erfrischend unwehmütig aus. Lange steht Margot Käßmann zunächst im Eingangsbereich der Kirche, gibt geduldig Fernsehinterviews und nestelt an ihrem cremefarbenen Hosenanzug herum. Erst als jemand das Zeichen zum Aufbruch gibt und das Klacken ihrer Schuhe durch das Gotteshaus hallt, drehen sich die Menschen um und es kommt langsam Beifall auf. Ebenso sanft wie die Begrüßung sind die Gitarrenklänge von Fritz Baltruweit, mit der die Veranstaltung beginnt.

Sorge um das Erbe der Bischöfin

"Diese Kanzel steht dir weiterhin offen", sagt Pfarrerin Hanna Kreisel-Liebermann, die das erste Wort hat und die "Landesbischöfin a.D." herzlich in deren früherer Predigtkirche begrüßt. Viele Projekte habe Käßmann angestoßen, "diese dürfen nicht zur Disposition gestellt werden". Auf Nachfrage zeigt sich Kreisel-Liebermann besorgt, ob die in den vergangenen Jahren begonnenen kirchlichen Initiativen in der hannoverschen Landeskirche weitergeführt werden. Sie hofft, dass sich der Nachfolger oder die Nachfolgerin im Bischofsamt nicht "abgrenzt".

[reference:nid=22152]Den Anstoß zu diesem vorerst letzten Heimspiel von Margot Käßmann, die im Februar nach einer Alkoholfahrt von allen kirchlichen Ämtern zurückgetreten war, gibt ein Buch, das einen ersten Rückblick auf die mehr als zehnjährige Bischofszeit wagt. Zwei Vertraute und Weggefährten haben es zusammengestellt, Käßmanns persönliche Referentin Silvia Mustert und der frühere Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christof Vetter, der heute das Lutherische Verlagshaus in Hannover leitet. "Engagiert evangelisch" lautet der gut gewählte Titel.

Ein Stück Landeskirchengeschichte

Im Plausch mit Moderator Tobias Glawion zeigt sich Käßmann erfreut über die Veröffentlichung, zu der sie mit einer Reihe von Gedanken und Artikeln beigetragen hat. Ein "Geschenk zum Abschied" nennt sie das 222-seitige, reich bebilderte Buch. Es zeige "nicht nur MK, sondern ein Stück Landeskirchengeschichte", erläutert die Theologin. "Wir haben viele großartige Dinge gemacht. Es hat sich vieles verändert." In den vergangenen Monaten, so ihr Eindruck, sei der Rücktritt viel zu stark im Vordergrund gestanden.

Nicht nur eine Hommage an Margot Käßmann, sondern auch eine "Auseinandersetzung" mit ihren Positionen solle das Buch sein, sagt Silvia Mustert, die seinerzeit mit der ausdrücklichen Maßgabe in die Bischofskanzlei kam, ihrer Chefin auch mal deutlich zu widersprechen. Ihr Co-Autor und Ehemann Vetter hatte die Idee zu der Veröffentlichung schon bald nach dem Rücktritt – nicht ahnend, wie viel Arbeit es werden würde: "Wir haben Tag und Nacht gelesen und geschrieben." Die Erstauflage liegt bei stattlichen 15.000, Rekord für den Verlag.

"Machtverlust bedeutet auch Freiheit"

Nur einmal wird die aufgeräumt wirkende Käßmann, die am Samstag in die Vereinigten Staaten aufbricht, deutlich. Als Glawion sie bittet, an einem Ratespiel teilzunehmen, sagt sie: "Ich habe in meiner Amtszeit Quizshows immer abgesagt." Doch sie lässt sich breitschlagen – und weiß bei der Zuordnung eines Zitats prompt die Antwort, hebt schelmisch den Finger: "Machtverlust bedeutet auch Freiheit", das hat sie selbst gesagt nach ihrem Rückzug. Beim Ökumenischen Kirchentag in München war das, als sie ihr Comeback feierte.

Nach der Talkrunde zur Buchpräsentation ist wieder alles wie immer bei Margot Käßmann: Sie signiert eine Unmenge an Büchern, wird von Menschen umlagert, hat für jeden eine Sekunde, ein Lächeln, ein freundliches Wort. Eine "kluge und glaubwürdige Frau" sei sie, sagt die 75-jährige Brigitte Beuthnagel aus Hannover-Kirchrode. "Sie ist jetzt in gewisser Weise frei." Marktkirchenpastorin Kreisel-Liebermann ist gespannt auf die Bischofswahl, die im November ansteht. Zwei Kandidaten soll es geben. "Es wäre peinlich, wenn keine Frau dabei wäre."

Silvia Mustert/Christof Vetter: Engagiert evangelisch. Zehn Jahre einer Bischöfin. Mit zahlreichen Beiträgen von Margot Käßmann, Hannover 2010. Lutherischese Verlagshaus, 222 Seiten, 19,90 Euro.


Bernd Buchner ist Redakteur bei evangelisch.de und zuständig für die Ressorts Politik und Religion.