Kostenlos und trotzdem erfolgreich: Online-Spiele

Kostenlos und trotzdem erfolgreich: Online-Spiele
Bigpoint, 2002 gegründet, ist einer der größten Aufsteiger im Markt der digitalen Unterhaltung. Inzwischen hat Bigpoint über 100 Millionen Nutzer weltweit und bietet über 50 Spiele an – alle sind Multiplayer-Onlinespiele, alle sind kostenlos. Das Geschäftsmodell des Spieleanbieters heißt "free to play": Jedes Spiel kann immer kostenlos gespielt werden, bezahlt wird nur für zusätzliche virtuelle Gegenstände, Ausrüstung, Kleidung oder Spiel-Währung. Damit hat sich Bigpoint von Hamburg aus zu einem der drei weltgrößten Anbieter von Online-Spielen entwickelt. Evangelisch.de sprach auf der Gamescom mit Nicolai Porsche, Producer bei Bigpoint.
19.08.2010
Die Fragen stellte Hanno Terbuyken

Wer spielt typischerweise Online-Browsergames? Ist das die gleiche Gruppe wie die Kerngruppe der Gamer an PC und Konsolen?

Nicolai Porsche: Das ist in der Regel schon eine etwas andere Gruppe. Es gibt Schnittmengen, aber überwiegend handelt es sich um Spieler, die nicht die Menge an Zeit aufbringen können und wollen. Die individuellen Session-Längen bei uns weichen stark davon ab, was wir aus dem normalen Gaming kennen. Aber: Browsergame ist nicht gleich Browsergame. Früher war das ein Label, das man Spielen geben konnte, weil die Spiele alle sehr gleich waren. Mittlerweile handelt es sich beim Browser aber eher um eine Plattform wie beispielsweise die Playstation.

Es ist den Browsergame-Firmen gelungen, einen neuen Spielermarkt anzuzapfen. Auf einmal gibt es sehr viele Mischgruppen, die wieder interessant sind. So wird das Bild bunter und größer, und das ermöglicht mir als Hersteller, Nischen zu bedienen, die aber global betrachtet keine Nischen mehr sind. Der Unterschied zwischen "normalem" Gaming und Browser-Spielen schmilzt zusehends.

Liegt die Zukunft des Gaming komplett außerhalb physikalischer Medien, ausschließlich im Download? Bigpoint-Spiele kann man schließlich nicht im Laden kaufen.

Porsche: Ausschließlich würde ich nicht sagen. Wenn du anfängst, Dinge auszuschließen, schließt du auch mögliche Gewinnmöglichkeiten aus. Ein Dogma ist immer falsch. Aber längerfristig gesehen wird es sicher dazu kommen, dass der physikalische Datenträger als solcher sehr stark an Bedeutung verliert. Wie weit das dann geht und ob irgendwann der kritische Punkt erreicht ist, an dem der Handel sagt: Das macht für uns keinen Sinn mehr, das lässt sich jetzt noch nicht abschätzen

Erreichen Online-Browserspiele die gleiche erzählerische und grafische Qualität wie klassische PC- oder Konsolenspiele?

Porsche: Zu diesem Zeitpunkt würde ich sagen: Teilweise. Es hängt stark vom Genre ab, und nicht alle Genres sind gleich übertragen worden. Wir müssen und können uns immer ans Genre und die Spieler, die es spielen, anpassen. Gerade im Core-Gaming-Bereich steht sicherlich das wettbewerbsorientierte Gameplay im Vordergrund, aber nicht nur. Im Social-Gaming-Bereich sieht's komplett anders aus, mit Spielen wie Farmerama. Das ist momentan unser erfolgreichstes Spiel, ähnlich wie Farmville, aber ohne die Facebook-Einbindung.

Ein Modell für alle ist in keiner Weise möglich. Aber mit unserem Geschäftsmodell können wir Content anbieten, der dem sonstigen, klassischen Inhalt sehr ähnlich ist. Es war in den letzten Jahren so, dass es im Konsolenbereich einen immer stärkeren Verdrängungswettbewerb gegeben hat, weg von einer breiten Palette an Spielen hin zu nichts weiter als einer Schattierung des immer gleichen. Das weicht sich wieder auf. Es gibt wieder Vertriebswege, die dafür sorgen, dass Spieler die Chance haben, wieder einzusteigen, die ihre Art des Spielens fast verloren hatten. Das ist ein ganz entscheidender Faktor.

Euer Geschäftsmodell ist "free to play", kostenloses Spielen. Es ist eines von drei Modellen, die es zur Zeit gibt, neben dem klassischen Vollpreis-Spiel und Abonnement-Modellen wie bei "World of Warcraft". Warum macht ihr das?

Porsche: Free-to-play hat den Vorteil, dass es zwei Parteien etwas bringt. Auf der einen Seite uns, auf der anderen Seite dem Spieler, dem Kunden. Er kann sich entscheiden, ob er überhaupt etwas zahlen möchte, und er kann sich dann entscheiden, wie viel er zahlen will. Das ist wie in der freien Wirtschaft, bei Designer-Klamotten zum Beispiel. Individualisierung ist da der Schlüssel für die Spieler, wobei das stark vom Genre abhängt. Unser Geschäftsmodell ist dem realen, täglich erlebten Geschäftsmodell jedenfalls deutlich näher als Abonnements oder das klassische Spiel in der Box.

Außerdem drehen wir einfach mal den Schuh um: Die 90 Prozent, die illegal spielen, machen wir zu (hoffentlich) begeisterten Mitspielern und zwingen niemandem digitale Schutzmaßnnahmen oder aufwändige Kopierschutzmaßnahmen auf. Selbst die ehrlichen Spieler haben keine Lust mehr auf den Aufwand, der inzwischen bei vielen PC-Spielen betrieben werden muss. Auch als Hersteller habe ich das Problem: Wenn ich 90 Prozent meiner potentiellen Spielerschaft ausgrenze und nicht monetarisieren kann, ist irgendwas an meinem Geschäftsmodell kaputt.

Wir merken auch: Je mehr sich ein Spiel an den harten Kern der Computerspieler richtet, desto kleiner wird die Rate derjenigen, die bereit sind, zu zahlen. Die zahlen dann aber vergleichsweise mehr Geld pro Spieler – aus eigenem Antrieb.

Eure Spiele kann man einfach über den Internetbrowser des eigenen Computers spielen. Wird Hardware, seien es nun Konsolen oder PCs, weniger wichtig, weil die Spiele online auf fast jedem Rechner laufen können?

Porsche: Da bin ich mir nicht sicher. Hardware wird weiterhin eine Rolle spielen, bei der Konsole, die mit dem interaktiven Wohnzimmer verschmiltzt, ebenso wie bei mobilen Geräten – iPads, Laptops, Handys. Die Geräte werden kleiner, leichter und portabler. Aber zwei Dinge muss man im Blick behalten: Es muss witerhin die Möglichkeit geben, von den kleinen Geräten auf hochauflösende Bildschirme zu kommen. Und: Der Erfolg unserer Spiele ist durch die Zahl der spieletauglichen PCs gefestigt, und die nimmt zu und nicht ab. So wird es erstmal weitergehen.

Ist das Modell von Bigpoint das Modell der Zukunft?

Porsche: Wir glauben nicht an einen Zukunft, wir glauben an viele Zukunften. Ich glaube nicht, dass das klassische Spiel in der Plastikbox oder die Abonnement-Modelle ausgedient haben. Es kommt nur darauf an, was ich an wen verkaufen möchte. Die Möglichkeiten diversifizieren sich einfach, gemeinsam mit einer sich verbreiternden Spielerbasis. Und natürlich wandeln sich auch die Handelsstrukturen. Aber Spiele über digitale Distribution online anzubieten, in welcher Form auch immer, ist keine Bedrohung für den Spielemarkt als solchen.


Nicolai Porsche ist Producer bei Bigpoint International, unter anderem für Battlestar Galactica Online, das im Winter erscheinen soll.

Hanno Terbuyken ist Redakteur bei evangelisch.de und berichtet von der Gamescom aus Köln.