RTL II zündet neues Trash-Feuerwerk mit Dokusoaps

RTL II zündet neues Trash-Feuerwerk mit Dokusoaps
Familien am Ende, Arbeitslose ohne Hoffnung, Singles ohne Sex: Eine Schwemme von Dokusoaps bringt regelmäßig das Leid der Republik in die Wohnzimmer. Jetzt startet RTL II gleich drei neue Formate - eine echte "Trash-TV-Offensive".
15.08.2010
Von Patrick T. Neumann

Die Erziehung renitenter Jugendlicher, das Aufmöbeln heruntergekommener Häuser, Schuldnerberatung, Auswanderung, Busenvergrößerung oder bizarre Sexpraktiken: Das Genre der Dokusoap hat in den vergangenen Jahren so ziemlich alles Menschliche weidlich ausgeschlachtet - und doch finden die TV-Macher immer wieder einen neuen Dreh, die Zuschauer am vermeintlich echten Leben Anderer teilhaben zu lassen. RTL II, Deutschlands Dokusoap-Sender Nummer eins, startet am Montag mehrere neue Formate hintereinander - als Nachfolger der gerade beendeten zehnten "Big Brother"-Staffel.

"Das ist eine echte Trash-TV-Offensive", sagt der Journalist und Medienkritiker Alexander Kissler. Den Anfang macht um 20.15 Uhr "Abenteuer Afrika - Deutsche Teenies beißen sich durch". Acht dicke Teenager sollen drei Wochen lang das karge Leben der Ureinwohner in der namibischen Kalahari-Wüste teilen. Klingt irgendwie bekannt, oder?

Hart an der Grenze des Zumutbaren

"Der Sender verquirlt hier mehrere bekannte Formate wie "Teenager außer Kontrolle" und "The Biggest Loser", um noch eins draufzusetzen: Übergewichtige Jugendliche, die noch dazu schwer erziehbar sind, müssen sich in einer exotischen Umgebung bewähren", sagt Kissler. "Das nennt RTL II "spürbare Authentizität"." Doch mit der Zuspitzung der Formate nähere sich das Privat-TV langsam der Grenze des Zumutbaren, sagt der Medienwissenschaftler, der in seinem Buch "Dummgeglotzt - Wie das Fernsehen uns verblödet" Auswüchse des modernen TV beschreibt.

"Das Tier in mir" lässt im Anschluss (21.15 Uhr) keine unschuldigen Teenager leiden, sondern Promis der zweiten und dritten Kategorie - das Dschungelcamp und ähnliche Selbsterniedrigungs-Shows lassen grüßen. Einige Tage lang sollen die Moderatoren, Sternchen und Möchtegern-Stars wie Tiere leben, sei es nun wie ein Schwein, ein Kamel oder ein Bär. Als erste dürfen sich die Hamburger Drag Queen Olivia Jones und der Komiker Oliver Beerhenke als Tiere probieren, Schenkelklopfer und hämische Lacher der Zuschauer inklusive - frei nach dem Sendermotto "it's fun".

Promi-Tattoos als Pseudo-Aufreger

"Immer wieder wird dem Privatfernsehen vorgeworfen, einen Menschenzoo zu präsentieren - in diesem Format nimmt der Sender das wörtlich", sagt Kissler. Das sei zynisch. "Hier wird die Grenze von Mensch zu Tier aufgehoben, die Botschaft lautet: Es ist völlig in Ordnung, wenn Du dich wie ein Tier verhältst und die Sau rauslässt. Ein Tiefpunkt."

Und die Promi-Quälerei geht weiter: Um 22.15 Uhr lassen sich Fernsehmenschen vor laufender Kamera tätowieren: "Tattoo Attack - Deutsche Promis stechen zu". Zum Start dürfen Moderator Carsten Spengemann und "Big Brother 2"-Gewinnerin Alida Kurras ihren Körper zu Markte tragen. Der unbedarfte Zuschauer fragt nach dem Sinn: Im Jahr 2010 sind Tattoos so allgegenwärtig wie Schnauzer in den 70ern. Wenn selbst "heute"-Nachrichtensprecherin Dunya Halali Tätowierungen auf ihrem Unterarm präsentiert, ist das Empörungspotenzial über Tattoos gegen Null gesunken.

Doch passt auch dieses Format in die Reihe der zynischen und menschenverachtenden Dokusoaps, meint Kissler: "Es wird mit Schmerz geworben, nach dem Motto: Seht her, wir stellen etwas mit den Prominenten an, was denen nicht gefallen wird." So könne sich der Zuschauer am Leid der Tätowierten weiden - oder wie RTL II es formuliert: "Das sind große Emotionen, die unter die Haut gehen".

dpa