Homöopathie, TCM, Akupunktur - was ist was?

Homöopathie, TCM, Akupunktur - was ist was?
Homöopathie darf es nicht mehr auf Rezept geben, fordert SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach – und prompt geht das Hickhack um die Kügelchen und Wässerchen los. Dabei gerät in der Diskussion einiges durcheinander - ein Überblick über die Heilmethoden.
16.07.2010
Von Franziska Badenschier

Doch in der Diskussion werden zwei Dinge vernachlässigt: Homöopathische Mittel werden von Gesetzlichen Krankenkassen eh nur bei bestimmten Wahltarifen erstattet – und fälschlicherweise werden die Begriffe Homöopathie und Alternative Heilmethoden synonym verwendet.

Alternative und komplementäre Medizin

Alternative Medizin und komplementäre Medizin werden mal synonym verwendet und mal voneinander abgegrenzt: Es gibt keine einheitliche, geschweige denn verbindliche Definition. Für die Weltgesundheitsorganisation beispielsweise sind beide Begriffe sinngleich und stehen für alle Heilverfahren, die im betrachteten Land nicht zur medizinischen Tradition gehören und auch nicht in das "dominante" Gesundheitssystem integriert sind. Das National Center for Complementary and Alternative Medicine der US-Gesundheitsinstitute trennt allerdings Alternative und Komplementäre Medizin strikt voneinander ab. Komplementäre Medizin werde demnach zusammen mit konventioneller Medizin genutzt, beispielsweise wenn nach einer Operation auch mit einer Aromatherapie Beschwerden gelindert werden. Alternative Medizin hingegen bezeichne Verfahren, die anstelle von konventioneller Medizin angewendet werden, also zum Beispiel eine bestimmte Diät statt einer Chemotherapie bei Krebs.

Homöopathie: Der Glaube an Globuli heilt

Der Begriff Homöopathie kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie "ähnliches Leiden". Der deutsche Arzt Samuel Hahnemann begründete die Lehre 1796. Die zwei Grundprinzipien sind die Ähnlichkeitsregel und die Verdünnung. So lautet ein Grundsatz "Similia similibus curentur" – Ähnliches wird durch Ähnliches geheilt. Dementsprechend ist das Arzneimittel am besten, dass bei einem Gesunden ähnliche Beschwerden hervorruft, wie sie der Patient gerade hat. Und bei der Potenzierung handelt es sich um ein Verfahren, bei dem die Ausgangssubstanz für das Medikament verdünnt wird und dadurch ihre Wirkungskraft erhöhen soll. Das Verhältnis 1:10 wird auf den Packungen mit D für Dezimalpotenz angegeben, das Verhältnis 1:100 mit C für Centesimalpotenz. D30 bedeutet demzufolge eine Verdünnung von 1:10(hoch)30. Es gibt sogar Homöopathika mit der Potenz D1000. In zahlreichen homöopathischen Tinkturen und Globuli kommt also kein einziges Wirkstoff-Molekül mehr vor. Wenn die Mittel doch wirken, dann liege das laut den Verfechtern der Lehre am "Gedächtnis des Wassers" und den Gegnern zufolge am Placebo-Effekt. Zahlreiche Studien haben bereits nachgewiesen, dass homöopathische Medikamente nicht besser abschneiden als die Scheinpräparate.

Traditionelle Chinesische Medizin: Der Exportschlager

Die Traditionelle Chinesische Medizin, kurz TCM, ist die Erfahrungsheilkunde aus China, die zunehmend auch in der westlichen Welt angewendet wird. Die mehr als 2000 Jahre alte Lehre fußt auf "fünf therapeutischen Säulen": Akupunktur (s.u.), Chinesische Arzneimitteltherapie, Tunia, Bewegungstherapien (Tai Chi und Qigong) sowie Ernährung. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen dabei immer die Gesamtheit des Körpers und der harmonische Energie-Fluss. Deswegen bezeichnet die Internationale Gesellschaft für Chinesische Medizin die TCM auch als "wichtige Ergänzung zu unserer westlichen, technischen Medizin". Die 400 wichtigsten Arzneimittel der TCM – insbesondere Blätter, Blüten, Wurzeln und Rinden von Heilpflanzen sowie mineralische oder tierische Substanzen – sind in deutschen Apotheken erhältlich. Erstattet werden sie jedoch nur von Privatkassen, in Ausnahmefällen auch von Gesetzlichen Krankenkassen. Außerdem werden Tai Chi und Qigong im Rahmen von Vorbeugungsmaßnahmen von den Kassen teilweise erstattet.

Akupunktur: Die Anti-Schmerz-Nadeln

Bei der Akupunktur werden dünne Nadeln an bestimmten Punkten des Körpers platziert und 20 bis 30 Minuten stecken gelassen. Viele Akupunkturpunkte liegen auf sogenannten Meridianen, so dass die Stiche nach dem Verständnis der Traditionellen Chinesischen Medizin den Fluss von Energie (Qi) anregen und regulieren. So sollen Störungen und Blockaden auf den unsichtbaren Energiebahnen behoben werden. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt: Der Nadelreiz stimuliert das Gehirn, schmerzlindernde oder stimmungsaufhellende Substanzen auszuschütten, zum Beispiel Glückshormone wie Endorphin und körpereigenes Morphin. Die weltweit größten Studien zur Wirksamkeit der Akupunktur wurden zwischen 2002 und 2007 in Deutschland durchgeführt ("GERAC-Studien", german acupunture trials). Diese Untersuchungen zeigten, dass Akupunktur bei chronischen Kopf-, Rücken- und Gelenkschmerzen zu einer deutlichen und lang anhaltenden Schmerzlinderung führt – und mitunter sogar besser wirkte als die herkömmlichen Therapien mit Medikamenten, Krankengymnastik oder Massagen. Mittlerweile erstatten Privatkassen die Akupunktur bei Schmerzen und Schmerzkrankheiten; gesetzliche Kassen zahlen nur bei Knie- und Rückenschmerzen, und dann auch nur maximal 15 Behandlungen. Selbstzahler müssen Kosten in Höhe von etwa 30 bis 70 Euro pro Sitzung einplanen.

Ayurveda: Die indische Balance aus Bewegung, Energie und Zusammenhalt

Ayurveda ist eine traditionelle Heilkunst aus Indien; der Name kommt aus dem Sanskrit und bedeutet "Wissen vom Leben". Der Lehre zufolge besteht der Mensch aus drei Temperamenten, sogenannten Doshas: Vata repräsentiert Bewegung, Aktivität und Kommunikation; Pitta steht für Energie, Feuer und Emotionen; und Kapha bezeichnet Zusammenhalt, Ausdauer und Kraft. Alles, was auf den Menschen einwirkt, soll sich den drei Doshas zuordnen lassen: So sollen Süßigkeiten Kapha stimulierten und aggressive Gedanken Pitta aktivieren. Bei einer Krankheit sei das Verhältnis der drei Temperamente verschoben. Das Gleichgewicht soll vor allem mit Ölmassagen, Yoga und der ayurvedischen Ernährungslehre Annavijnana wieder hergestellt und dann beibehalten werden.

Schüßler-Salze: Die zwölf Mineralien des Lebens

"Wer von kleinen Gaben reden hört, denkt gewöhnlich sofort an Homöopathie; mein Heilverfahren ist aber kein homöopathisches, denn es gründet sich nicht auf das Aehnlichkeitsprincip, sondern auf die physiologisch-chemischen Vorgänge, welche im menschlichen Organismus sich vollziehen." So kündigte der deutsche Arzt Wilhelm Heinrich Schüßler im Vorwort seines Lebenswerkes "Eine Abgekürzte Therapie" seine "biochemische" Heilmethode an. Dennoch werden die Tabletten und Salben mit Schüßler-Salzen heute als "homöopathisches Arzneimittel" bezeichnet – weil die Mineralien potenziert sind und somit nur in homöopathischen Dosen verabreicht werden. Die Grundlage für Schüßlers biochemische Krankheitslehre lieferte übrigens die Asche von Verstorbenen: Aus der jeweiligen Todesursache und dem Mangel an lebensnotwendigen anorganischen Salzen leitete der Arzt einen Zusammenhang ab.

Bach-Blütentherapie

Die Bach-Blütentherapie wurde um 1930 von dem englischen Arzt Edward Bach begründet. Der englische Arzt, der als Mikrobiologe am Royal London Homeopathic Hospital gearbeitet hatte, kombinierte die Idee der Homöopathie mit Elementen der aufstrebenden Psychoanalyse. So definierte Bach negative Seelenzustände und ordnete diesen jeweils eine Blütenessenz zu: Chicorée-Blüten sollten gegen Egoismus helfen, Pinienblüten gegen Schuldgefühle. Insgesamt 37 Blütenessenzen gibt es im Bach-Blüten-System. Die 38. Essenz ist "rock water": reines Fels-Quellwasser gegen Selbstverleugnung. Und die 39. Essenz ist eine Mischung aus fünf Essenzen, die Bach als "rescue remedy" (Notfalltropfen) bezeichnete. Hergestellt werden die Essenzen, in dem die Blüten in Quellwasser ausgekocht, dann mit der gleichen Menge Alkohol konserviert und schließlich im Verhältnis 1:240 verdünnt werden. Mehrere Studien haben nachgewiesen, dass die Bach-Blütentherapie auf dem Placebo-Effekt beruht. In Deutschland sind Bachblüten-Präparate auch nicht als Arzneimittel zugelassen. Zudem sind mittlerweile auch Blütenessenzen auf dem Markt, die nicht der originalen Lehre von Edward Bach entsprechen.

Osteopathie und Chiropraktik

Die Begriffe Osteopathie und Chiropraktik lassen sich nicht klar voneinander abgrenzen: Das Bild, dass ein Chiropraktiker nur an der Wirbelsäule "knackst" und der Osteopath sanft auf Muskeln drückt und Bänder dehnt, stimmt so nicht. Chiropraktiker wie Osteopathen beseitigen mit speziellen Handgriffen Muskelverhärtungen, Gelenkblockaden, Lymphstaus und Knochen-Fehlstellungen. Im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen sind Osteopathie und Chiropraktik nicht enthalten, aber manche Privatkassen übernehmen die Behandlungskosten. Diese belaufen sich auf etwa 60 bis 120 Euro pro Sitzung.

Weitere Informationen:

WHO-Definition: http://www.who.int/medicines/areas/traditional/definitions/en/index.html

Welche Krankenkassen für Homöopathie bezahlen – Liste vom Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte: http://www.dzvhae.com/portal/loader.php?seite=59305&org=1113&navigation=59229&back_seite=45370


Franziska Badenschier ist freie Wissenschaftsjournalistin und lebt in Dortmund.