Aufforstung: Neues Leben für kranke Riffe

Aufforstung: Neues Leben für kranke Riffe
Umweltverschmutzung, Klimawandel und Überfischung haben in vielen Korallenriffen tiefe Wunden geschlagen. Transplantation soll den geschundenen Unterwasserwelten wieder neues Leben einhauchen. Doch wie beim Menschen ist der Eingriff heikel.
02.07.2010
Von Irena Güttel

In Bremen ist die tropische Unterwasserwelt noch in Ordnung. Schillernde Fische schwimmen durch farbenfrohe Rifflandschaften. Neongrüne Astkorallen, mächtige Geweihkorallen und zahlreiche andere Arten tummeln sich in den Tanks im Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie. In den Ozeanen gleichen viele Riffe währenddessen einer toten Wüste. Überfischung, Korallenbleiche, Giftstoffe aus Pestiziden und Düngemitteln oder auch jüngst die Ölpest im Golf von Mexiko haben die filigranen Strukturen zerstört, Tiere und Pflanzenriff ausgerottet.

Transplantation: Kein Allheilmittel

Für manche kommt jede Rettung zu spät, für andere besteht noch Hoffnung. Diese gedeiht prächtig auf kleinen Kacheln in den Bremer Tanks. Auf diese haben die Wissenschaftler kleine Korallenstücke geklebt, die sie zuvor abgebrochen hatten. Doch statt zu sterben, wachsen die Fragmente weiter. "Bestimmte Korallenarten lassen sich so relativ einfach züchten", erläutert der Riffökologe Sebastian Ferse.

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Im Aquarienhandel kommt dieses Verfahren schon länger zum Einsatz. Mit seiner Hilfe können aber auch karge Unterwassersteppen wieder aufgeforstet werden. Dafür werden gezüchtete Kolonien einfach in die geschädigten Riffe verpflanzt. Vor allem Israel, die USA und die Philippinen gelten als Vorreiter bei der Korallentransplantation. Ein Heilsbringer sei diese Verpflanzung jedoch nicht, betont Ferse. "Sie funktioniert nur unter speziellen Bedingungen."

Die größte Bedrohung ist der Klimawandel

Das bekam der junge Meeresbiologe in Indonesien deutlich zu spüren, wo er für seine Doktorarbeit Korallen im Nationalpark Bunaken im Norden von Sulawesi verpflanzte. Das Riff in dem Taucherparadies ist an den Rändern stark geschädigt, im Herzen dagegen noch relativ intakt. Ferse nahm also einige Kolonien der Nesseltiere aus dem gesunden Teil und siedelte sie in dem zerstörten an. Mit dem Ergebnis, dass diese dort ebenfalls abstarben.

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"Wenn ein Riff großflächig kaputt ist, hat das Gründe", erläutert Ferse. Nach Angaben des Meeresexperten Christian Neumann von der Naturschutzorganisation WWF stellt der Klimawandel die größte Bedrohung für Korallen dar. Wenn die Wassertemperaturen steigen, kommt es zur Korallenbleiche. Die kleinen Nesseltiere sterben massenhaft ab. Allein bei der bislang schlimmsten Korallenbleiche 1997/1998 gingen der Initiative Reef Check zufolge zehn Prozent der weltweiten Riffe zugrunde.

Daneben schadet die Fischerei den Riffen. Gerade in Südostasien lebt ein Großteil der Menschen von Meeresressourcen, so dass viele Fanggebiete überfischt sind. Dazu kommt, dass die Fischer in einigen Ländern wie Indonesien immer noch mit Dynamit oder giftigem Cyanid auf Fang gehen - und so verheerende Schäden an den Riffen anrichten.

"Richtige Vorbeugung ist besser"

Das Aufforsten allein kann die prächtigen Unterwasserlandschaften deshalb nicht retten. "Das Geld kann sinnvoller eingesetzt werden - zum Beispiel für den direkten Schutz von Riffen", meint WWF-Experte Neumann. So sieht es auch Ferse. "Korallentransplantation kann überbrücken. Sie kann einem Riff Starthilfe geben, das ins Straucheln geraten ist. Richtige Vorbeugung ist aber in jedem Falle besser, als lediglich Symptome zu behandeln."

Momentan arbeitet der 31-Jährige gemeinsam mit einigen Kollegen an einem Projekt, das das Küstenmanagement und den Schutz der Riffe in Indonesien verbessern soll. Mehrere Monate haben sie dafür Fischer befragt und bei der Arbeit begleitet. "Uns ging es darum zu sehen, was und wie sie fangen und aus welchen Gründen", erläutert Ferse. Vieles passiert aus Unwissenheit oder aus wirtschaftlichen Zwängen.

Zurzeit werten die Forscher die Daten aus. Aus den Ergebnissen wollen sie konkrete Vorschläge für den Schutz der Riffe ableiten. "Wir wollen zeigen, wo man ansetzen muss, damit sich was verändert", sagt Ferse. Und das nicht nur in Indonesien. Die Ergebnisse werden ihm zufolge auch auf andere Tropenländer übertragbar sein.

dpa