Gen-Pflanzen: Wer muss für Verunreinigungen haften?

Gen-Pflanzen: Wer muss für Verunreinigungen haften?
Mit komplizierten Passagen aus dem Gentechnikgesetz befasst sich ab heute das Bundesverfassungsgericht. Dabei geht es im Kern um die Haftung bei Verunreinigungen, die durch gentechnisch manipulierte Pflanzen verursacht werden. Eingereicht hat die Klage ein Bundesland.
22.06.2010
Von Karsten Wiedener

Beim Bundesverfassungsgericht stehen heute zentrale Bestandteile des Gentechnik-Gesetzes auf dem Prüfstand. Eingereicht hat die Klage das Land Sachsen-Anhalt. In dem Normenkontrollantrag geht es im Kern um die Haftung bei Verunreinigungen herkömmlicher Pflanzen, um das Standortregister und um den Umgang mit in Verkehr gebrachten Gentechnik-Produkten. Das 2004 von der damaligen rot-grünen Bundestagsmehrheit novellierte Gesetz soll das Nebeneinander von herkömmlichen Nutzpflanzen und gentechnisch veränderten Organismen regeln.

BUND findet Auflagen "gerechtfertigt"

Die dabei vorgesehene Haftung für den landwirtschaftlichen Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen ist nach Auffassung der Magdeburger Landesregierung verfassungswidrig. Das Risiko werde einseitig auf die Verwender der genmanipulierten Pflanzen verlagert, heißt es zur Begründung in der Klage. Das Standortregister der Anbau- und Freisetzungsflächen verletze zudem das Grundrecht auf "informationelle Selbstbestimmung", die Berufsfreiheit und den Eigentumsschutz. Die Veröffentlichung von Personendaten begünstige politisch motivierte Feldzerstörungen. Zusammen mit der Haftungsbestimmung werde damit letztlich jeder Anbau von gentechnischen Pflanzen für die Forschung und die beteiligten Unternehmen zu einem unkalkulierbaren wirtschaftlichen Risiko.

Für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sind hingegen die Auflagen im Gesetz "gerechtfertigt und gut". Sollte die Klage in Karlsruhe Erfolg haben, drohe die Abschaffung der gentechnikfreien Landwirtschaft und eine schleichende, flächendeckende Verunreinigung der herkömmlichen Landwirtschaft und der Nahrungsmittelkette durchzusetzen, sagt BUND-Gentechnikexpertin Heike Moldenhauer. Die Landesregierung wolle, dass konventionelle Landwirtschaft kontaminiert wird, ohne dass ein Bauer mit Genpflanzen oder Forscher dafür zur Verantwortung gezogen werden.

Landesregierung wollte Planungssicherheit

Die Klage hatte die CDU/FDP-geführte Regierung von Sachsen-Anhalt 2005 eingeleitet, nach der Landtagswahl im Jahr darauf wurde sie von einer Koalition aus CDU und SPD abgelöst. Auch wenn die Biotechnologie-Branche nicht zu den Leitindustrien Sachsen-Anhalts gehöre, habe die damalige Landesregierung Rechtssicherheit für die Unternehmen im Hinblick auf Planungen und Entscheidungen gewollt, heißt es dazu eher zurückhaltend aus dem Haus des heutigen Wirtschaftsministers Reiner Haseloff (CDU). Die Branche erwarte durch die Bewertung des Bundesverfassungsgerichts "Rechtsklarheit".

Sehr viel deutlicher äußern sich die Vertreter der betroffenen Unternehmen. Die Klage sei ein "sehr, sehr wichtiges Signal" zugunsten der Nutzung der Biotechnologie, sagt der Geschäftsführer der BIO Mitteldeutschland GmbH, Jens Katzek. Dem Zusammenschluss gehören etwa 20 Firmen und Institutionen der "grünen" und auch "roten" Gentechnik an. Die in Halle an der Saale ansässige Gesellschaft will die Biotechnologie länderübergreifend vorantreiben. Das Regelwerk nennt Katzek ein "Gentechnik-Verhinderungsgesetz".

Das Standortregister umfasst aktuell insgesamt 26 Anbau- und Freisetzungsflächen in fünf Bundesländern: Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Aufgelistet sind unter anderem jeweils die Gemarkung sowie die Nummer von Flur und Flurstück. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gibt "personenbezogene Daten" nur auf Antrag heraus.

Anträge "eher Einzelfälle"

Katzeks Argument mit den Personendaten aus dem Standortregister und den folgenden Diffamierungen könnte aber noch aus anderen Gründen auf schwachen Beinen stehen. So handelt es sich bei den Anträgen dazu laut Bundesamt "eher um Einzelfälle". Danach wurde zum Beispiel 2009 nur ein einziger Antrag auf Auskunft gestellt, die die Behörde dann auch noch versagte, weil es zu einem Anbau gar nicht kam. In diesem Jahr betrafen bislang zwei Ersuche insgesamt sechs Flächen, denen lediglich bei zwei Feldern stattgegeben wurde.

Zu Zeiten der schwarz-gelben Landesregierung war Sachsen-Anhalt auch Koordinator des umstrittenen Testanbaus von Genmais in sieben Bundesländern und hatte eine "Biotechnologie-Offensive" ausgerufen. Fördermillionen wurden in den Aufbau eines Biotechnologie-Parks in Gatersleben bei Quedlinburg gesteckt, in dessen Mittelpunkt das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung steht. Inzwischen scheinen die Investitionen aber ins Stocken geraten zu sein. An dem Biopark ist über Umwege auch das katholische Bistum Magdeburg beteiligt. Es will sich aber zurückziehen, weil die ethische Glaubwürdigkeit der Diözese damit in Frage gestellt werde.

epd