EU-Parlament entscheidet: Keine Ampel für Fertiggerichte

EU-Parlament entscheidet: Keine Ampel für Fertiggerichte
Aus für europaweite Ampel-Kennzeichnung von Fertiggerichten, Snacks und Limonaden. Inhaltsstoffe wie Fette, Zucker und Salz sollen zwar deutlicher gekennzeichnet werden, aber keine Farbmarkierungen erhalten. Mit großer Mehrheit stimmte das Europaparlament am Mittwoch in Straßburg für diese bis zuletzt heftig umstrittene EU-Verordnung. Die von Verbraucherorganisationen befürwortete farbliche Ampellösung ist damit endgültig vom Tisch, ihre Sprecher reagierten enttäuscht.

Durchgesetzt hat sich das Konzept der Nahrungsmittelindustrie, Nährwertangaben auf der Grundlage von Portionen oder des durchschnittlichen Tagesbedarfs einzuführen. Ein entsprechendes Gesetz ist nicht vor Frühjahr 2011 zu erwarten. Nun befasst sich erst wieder der EU-Ministerrat mit dem Thema. Dort favorisiert eine Mehrheit der EU-Länder, auch Deutschland, Nährwert-Informationen auf der Grundlage eines Tagesbedarfs, je 100 Gramm oder je Portion.

Linke und Grüne hatten die Ampel-Kennzeichnung als "klarste und einfachste Verbraucherinformation" vorgeschlagen. Rot sollte dabei auf viel Fett, Zucker oder Salz in den Nahrungsmitteln hinweisen, gelb für eine mittlere und grün für eine geringe Menge stehen. Die Ampel-Gegner unter Führung der Christdemokraten befanden dieses System jedoch als willkürlich und wissenschaftlich nicht haltbar. Einzig in Großbritannien gibt es auf freiwilliger Basis ein Ampelsystem.

Lob aus Berlin - Kritik von Verbraucherschützern

Das deutsche Bundesverbraucherministerium hält die Entscheidung des EU-Parlaments gegen eine Lebensmittelkennzeichnung in Ampelfarben für nachvollziehbar. "Die Ampel hat sich aus wissenschaftlicher Sicht - und wie der Blick nach England zeigt, auch in der Praxis - nicht bewährt", sagte ein Ministeriumssprecher am Mittwoch in Berlin.

Verbraucherschützer hingegen warfen dem Straßburger Parlament vor, gegenüber den Herstellern eingeknickt zu sein: "Das Votum gegen die Ampel ist enttäuschend", sagte Matthias Wolfschmidt, stellvertretender Geschäftsführer der Verbraucherrechtsorganisation foodwatch. "Obwohl die Vorzüge der Ampelkennzeichnung gegenüber allen anderen Systemen vielfach durch wissenschaftliche Studien belegt wurden und die meisten Verbraucher die Ampel wollen, haben sich die Parlamentarier unter dem Einfluss der Industrielobby gegen die Ampel entschieden."

Problem Übergewicht

Es bleibe, so Wolfschmidt, "das Geheimnis der Politik, wie sie das gesellschaftliche Problem Übergewicht in den Griff bekommen möchte, wenn sie nicht einmal den Mumm hat, eine transparente und verständliche Angabe des Zucker- und Fettgehalts gegen den Willen der Lebensmittelindustrie durchzusetzen."

Dass die Industrie zusätzliche grafische Darstellungen wie die Ampel freiwillig einsetzen darf, sei kein Fortschritt. Das sei auch bisher schon möglich gewesen. Doch das Gegenteil werde eintreten, so Wolfschmidt: "Wer heute schon ohne Scham Kalorienbomben als Fitnessprodukte verkauft, wird diesen Schwindel sicher nicht mit einer leuchtend roten Kennzeichnung selbst entlarven."

Den Antrag für eine verpflichtende Kennzeichnung mit Ampelfarben hatten die sozialdemokratische Fraktion des EU-Parlaments, die europäischen Grünen und europäische Linke eingebracht.

Klare Signale

Das kontrovers diskutierte System kennzeichnet mit den Farben Rot-Grün-Gelb, wie hoch der jeweilige Anteil der wichtigsten Nährwerte bei einem verarbeiteten Lebensmittel ist. Zusätzlich wird noch der Kaloriengehalt angeben.

Die bunte Grafik auf der Verpackung soll auf einen Blick über die Menge an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz in Gramm orientieren - und zwar einheitlich auf 100 Gramm beziehungsweise 100 Milliliter bezogen. Die Werte sind farblich hinterlegt. Rot steht für einen hohen, gelb für einen mittleren, grün für einen niedrigen und damit gesundheitlich unbedenklichen Anteil. Welche Farbe vergeben wird, ist genau definiert. So heißt es zum Beispiel Stopp für einen Fettgehalt über 20 Gramm oder Zucker über 12,5 Gramm pro 100 Gramm.

Informationen "willkürlich und missverständlich"?

Gegner kritisieren das System als willkürlich und missverständlich. Bestimmte Lebensmittel würden stigmatisiert. Aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Bonn fehlt dem Ampelmodell eine wissenschaftliche Grundlage. Eine ausgewogene und gesunde Ernährung lasse sich nicht an einzelnen Lebensmitteln festmachen.

Im vergangenen Jahr wünschten sich in einer Emnid-Umfrage gut zwei Drittel der Befragten, dass sich die Bundesregierung für die Nährwert-Ampel einsetzt. Auch die Kinder- und Jugendärzte, die Bundesärztekammer, die AOK, die Deutsche Herzstiftung und der Spitzenverband der Krankenkassen und Verbraucherverbände hatten sich für das Ampelsystem starkgemacht.

dpa/thö