Käßmann: Erster Gottesdienst nach dem Amtsverzicht

Käßmann: Erster Gottesdienst nach dem Amtsverzicht
Erstmals nach Margot Käßmanns Rücktritt fand in der Marktkirche Hannover ein Gottesdienst mit der ehemaligen Landesbischöfin und Ratsvorsitzenden der EKD statt. Tausende waren gekommen, um ihr ihre Wertschätzung zu zeigen und sie zu einer zweiten Amtszeit als Landesbischöfin von Hannover zu ermutigen.
30.05.2010
Von Melanie Huber

"Besetzt? Das kann doch nicht sein. Wir kommen extra aus Holland." Nicht nur der 60-Jährige ist heute um fünf Uhr aufgestanden und findet keinen freien Platz. Günter Krug aus hat sogar durchgemacht, um pünktlich einzutreffen: "Ich muss ihr einfach zeigen, wie sehr ich sie schätze." Ob aus Neugier, Sympathie oder als Zeichen der Wertschätzung - jede und jeder der rund 2.000 Gottesdienstbesucherinnen und -besucher wird eigene Gründe haben, heute in Hannovers Marktkirche gekommen zu sein. Der anhaltende Applaus, der einsetzt, kaum dass Margot Käßmann die Schwelle des Gotteshauses betreten hat, zeigt aber ganz klar: Sie alle sind ihretwegen hier, für Margot Käßmann, wegen Margot Käßmann. "Ich liebe ihre Worte, sie ist einmalig", schwärmt Sigrid Bomblatt aus Soltau von der evangelischen Theologin. 

Wertschätzung und Ermutigung

Es ist der erste Gottesdienst, den die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende und Landesbischöfin (Foto: epd-bild / Harald Koch) nach ihrem Rücktritt vor rund drei Monaten hält; und das in ihrer Kirche, dort wo sie lebt, wo sie quasi ihre Gemeinde hat. Das ist etwas Besonderes, etwas ganz Besonderes, das spüren alle. Fast schüchtern, als wäre es ihr unangenehm, bedankt sich Käßmann mit einem kurzen Nicken bei den Applaudierenden, die sich teilweise sogar von ihren Stühlen erheben. Standing ovations in einer Kirche, wo gibt es das? Für welchen Geistlichen gibt es das?

Margot Käßmann ist aber eben nicht irgendeine Pastorin, sie ist, sagen einige, ein Promi. Fast. Nur fast, da der Begriff zwar für Bekanntheit steht, aber auch für Distanz, Bewunderung und pure Betrachtung aus der Ferne. All dies gilt für Käßmann nicht. Hier gibt es keine Distanz. Jede Geste, jeder Blick zeigt die starke Verbundenheit, die Nähe zu allen, die sich heute in der Marktkirchen drängen. "Sie können ruhig einfach in den Mittelgang nach vorne kommen, das machen wir Weihnachten ja auch immer so", sagt sie lachend. Selbst im Altarraum hocken Alt und Jung beieinander, draußen regnet es in Strömen, man rückt zusammen.

Pastorin Hanna Keisel-Liebermann eröffnet den Gottesdienst und spricht aus, was hier alle denken und wünschen: "Liebe Margot, wir bitten dich, dass du auch in Zukunft hier predigst." Der Applaus der Gemeinde lässt die Angesprochene tief durchatmen, sie ist bewegt. Beim Kyrie steht sie dann mitten zwischen den Menschen am Altar; mehr Nähe, mehr Zuwendung geht kaum.

Und auch mit ihrer Predigt (Römer 11, 32-36) stellt sie die Offenheit und Unvoreingenommenheit in den Vordergrund: "Es gibt keine Vorzeigechristen, die ganz toll sind. Alle Menschen sind fehlbar, sind auf Gottes Liebe angewiesen." Weitherzigkeit und ein Lächeln wünscht sich Käßmann: "Also: lächeln bitte! Etwas erlöster und befreiter und weitherziger aussehen! Mal wieder staunen wie Paulus. Mit herunter gezogenen Mundwinkeln kannst du Gott nicht loben!" Auch für diese Worte gibt es Beifall. 

Forderung nach zweiter Amtszeit

Begleitet von Fotografen und Fernsehteams verlässt Margot Kämann am Ende des Gottesdienstes die Kirche. Jede und jeder zweite hält ein Plakat mit ihrem Foto und der Aufschrift "2. Amtszeit" hoch. Vor der Kirche zeigen etwa 200 Gläubige mit diesen Plakaten (Foto: epd-bild / Harald Koch) ihre Verbundenheit. Immer wieder singen sie zur Melodie von "Komm sag’ es allen weiter": "Wir wollen Margot Käßmann als Bischöfin zurück.“ Auch der 88-Jährige Wilhelm Bödecker aus Hannover lässt es sich nicht nehmen, mitzusingen: "Ich habe sie von Anfang an erlebt und schätze sie sehr. Es wäre richtig und mutig von ihr, als Bischöfin zurückzukommen."

Der Mitarbeitervertretungs-Verband im Bereich der Konföderation Evangelischer Kirchen in Niedersachsen setzt alles daran, dass Synode und Käßmann selbst diesen Schritt gehen. Am 2. Juni tagt die Synode und verabschiedet ihre ehemalige Bischöfin offiziell. Der Mitarbeiter-Vertretungs-Verband schreibt dazu auf seinen Flyern:"Soll es dann heißen: 'Good bye, danke und tschüss' oder 'Zweite Amtszeit für die Landesbischöfin Dr. Margot Käßmann'. Beides ist möglich, aber keineswegs gleich schön."

Der Liedtext "Zweite Chance für Margot Käßmann" – nach der Melodie „Komm sag’ es allen weiter“

1. Wir wollen Margot Käßmann als Bischöfin zurück. Sie ist doch für uns alle ein lang ersehntes Glück.
2. Sie ist zurückgetreten, das hatte seinen Grund. Doch makellos ist keiner, drum singt aus einem Mund.
3. Wir brauchen Margot Käßmann, ein Mensch für uns bereit. Kennt alle Sorgen, Ängste und nimmt sich für uns Zeit.
4. Wir haben Margot Käßmann jetzt lang genug entbehrt. Gebt ihr die zweite Chance, wie Jesus uns gelehrt.

Refrain: Komm, sag' es allen weiter, ruf' es in jedes Haus hinein, / Komm sag' es allen weiter, Frau Käßmann soll es sein.