Dreister Diktator sichert sich Macht in Äthiopien

Dreister Diktator sichert sich Macht in Äthiopien
Premier Meles Zenawi, der seit fast zwei Jahrzehnten das äthiopische Volk unterdrückt, bleibt auch nach den Wahlen vom Sonntag an der Macht. Die Opposition ist geschockt.
26.05.2010
Von Marc Engelhardt

Die Jubelnden, die Äthiopiens alten und neuen Premier Meles Zenawi auf dem Meskel-Platz im Zentrum von Addis Abeba empfingen, hatte die Regierung selbst bestellt. "Dienstagfrüh ist eine SMS auf vielen Handys eingegangen", berichtet Imran (Name geändert), ein äthiopischer Umweltaktivist. "Der Absender war anonym, aber für uns war klar, das kommt von der Regierung." Zehntausende wurden bei ihrer Ankunft auf dem Platz mit Transparenten ausgestattet, auf denen "Respektiert unsere Entscheidung" oder "Hört auf uns zu kritisieren" stand.

Da war es nur wenige Stunden her, seit Äthiopiens Wahlkommission den Sieg Zenawis und seiner seit 1991 regierenden "Äthiopischen Revolutionären Demokratischen Volksfront" (EPRDF) verkündet hatte. Bis auf wenige Ausnahmen, so heißt es, soll die Regierungspartei bei der Abstimmung am Sonntag alle Sitze im Parlament gewonnen haben. Selbst in Oppositionshochburgen wie der Hauptstadt oder dem Bundesstaat Oromia beansprucht die EPRDF einen Erdrutschsieg für sich.

"Manche waren gleicher als andere"

"Die Entscheidung des Volkes kann nicht durch ausländische Mächte außer Kraft gesetzt werden", warnte Zenawi am Dienstagabend seine Kritiker. Die hatten zuvor erstaunlich deutliche Töne angeschlagen. "Alle waren gleich, aber manche waren gleicher als andere", erklärte der Leiter der EU-Wahlbeobachtermission, Thijs Berman, zynisch in Anlehnung an George Orwells "Farm der Tiere". Die Oppositionsparteien seien im Wahlkampf klar benachteiligt worden.

Selbst die USA, die Zenawi wegen seiner Unterstützung im "Kampf gegen den Terror" in Somalia verpflichtet sind, kritisierten die Wahlen. "Wir haben mit Bedauern feststellen müssen, dass die Abstimmung nicht internationalen Standards entsprochen hat", erklärte der für Afrika zuständige Vize-Außenminister Johnnie Carson.

Dass die EPRDF den Sieg für sich beansprucht, wundert Bürgerrechtler wie Imran nicht. "Seit den Wahlen vor fünf Jahren wurden alle Kritiker mundtot gemacht, die meisten Oppositionsführer sind entweder in Haft oder im Exil." Ein rigides Pressegesetz, ein weiteres zur Gängelung von Nichtregierungsorganisationen und eine "Anti-Terror-Verordnung", die jeden Kritiker des Staats zum potenziellen Terroristen erklärt, hat Äthiopien in den vergangenen Jahren in einen repressiven Einparteienstaat verwandelt.

Kritiker müssen zur Strafe hungern

"Regierung und die Regierungspartei sind längst zu einer Einheit verschmolzen", erklärt die Afrika-Direktorin der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch", Georgette Gagnon. Viele Menschen, vor allem auf dem Land, würden vor die Entscheidung gestellt, ihrer politischen Überzeugung zu folgen oder zu verhungern. "Dünger, Saatgut, Mikrokredite, Ausbildung werden entweder als Belohnung für Zenawis Unterstützer vergeben oder Kritikern als Bestrafung vorenthalten."

Die Vorgänge sind in den Botschaften der westlichen Gebernationen, die Äthiopien jährlich mehr als 800 Millionen Euro überweisen, bekannt. Zwischen 2009 und 2011 fließen alleine 96 Millionen Euro staatliche Entwicklungshilfe aus Deutschland in den 80-Millionen-Einwohnerstaat, eines der ärmsten Länder Afrikas. "Diese Hilfe wird politisch missbraucht, aber in der Öffentlichkeit übt kaum jemand Kritik", konstatiert Gagnon. Sie fordert, Hilfen nicht mehr durch die Regierung zu verteilen und unabhängige Kontrollen einzuführen. Doch bislang stehen die Geber ungerührt zu Zenawi, den der britische Ex-Premier Tony Blair einst die 'demokratische Hoffnung Afrikas' nannte.

Kalt erwischt

Dass die Wahlergebnisse stimmen, glaubt im Oppositionslager niemand. Der Vorsitzende des größten Oppositionsbündnisses Medrek (Forum), Merera Gudina, spricht von offensichtlichen Fälschungen. "Ich sehe keinen Grund, warum wir diese Zahlen akzeptieren sollten." Was Medrek jetzt tun wird, ist noch unklar. Mit einem Oppositionssieg, wie er vor fünf Jahren möglich schien, hatte selbst Gudina nicht gerechnet. Es ist die Dreistigkeit der Regierung, die ihre Kritiker kalt erwischt hat.

"Äthiopien ist mehr als dreimal so groß wie Deutschland, wir haben kaum Straßen, ein kaum funktionsfähiges Handynetz und die meisten Wähler leben auf dem Land", sagt Imran. "Wie kann es da sein, dass wir kaum 36 Stunden nach Schließung der Wahllokale ein Ergebnis haben? Das ist unmöglich." In vergleichbaren afrikanischen Nationen brauche es Wochen, bis solche Ergebnisse vorlägen. Äthiopische Blogger hatten zudem schon am Wahltag angeblich vom Geheimdienst vorbereitete Ergebnisse kolportiert, die jetzt veröffentlicht wurden. Mit derart offensichtlichen Fälschungen will die Regierung nach Imrans Einschätzung ausdrücken "seht her, wir können machen, was wir wollen, und Ihr seid machtlos."

epd