Entsetzen nach Amoklauf auf Zeugen Jehovas

Nach Amoklauf in Hamburg mit mehreren Toten und Verletzten
© Georg Wendt/dpa
Ein Mann gedenkt vor dem Gebäude der Zeugen Jehovas im Stadtteil Alsterdorf der Opfer. Bei einem Amoklauf während einer Veranstaltung der Zeugen Jehovas sind am Donnerstagabend mehrere Menschen getötet und einige Personen verletzt worden.
Tödliche Schüsse in Hamburg
Entsetzen nach Amoklauf auf Zeugen Jehovas
Ein Amokläufer erschießt in Hamburg in einem Gemeindehaus der Zeugen Jehovas sieben Menschen und sich selbst. Sein Motiv bleibt unklar, Hinweise auf eine politische Tat gibt es nicht. Politiker und Kirchenvertreter sind bestürzt.

Bei einem Amoklauf in einer Gemeinde der Zeugen Jehovas in Hamburg sind acht Menschen ums Leben gekommen. Die Polizei geht davon aus, dass ein ehemaliges Mitglied der Glaubensgemeinschaft für die Tat vom Donnerstagabend verantwortlich ist. Der 35 Jahre alte Mann mit deutscher Staatsangehörigkeit sei beim Eintreffen der Einsatzkräfte in den ersten Stock des Gebäudes geflohen und habe sich dort selbst erschossen.

Die Ermittler werteten es als Glücksfall, dass Spezialeinsatzkräfte der Polizei in der Nähe und entsprechend schnell vor Ort waren. Dadurch seien weitere Opfer verhindert worden. Laut Polizei hatten sich am Donnerstagabend rund 50 Gemeindemitglieder in dem Gebäude im Stadtteil Alsterdorf versammelt. Acht Menschen wurden verletzt, vier von ihnen schwer. Die Getöteten sind zwei Frauen, vier Männer sowie ein ungeborenes Kind im Alter von 28 Wochen.

Laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) könnte die Zahl der Todesopfer weiter steigen. "Es steht zu befürchten, dass weitere Opfer ihren schweren Verletzungen erliegen werden", sagte er am Freitagmittag am Rande eines Treffens mit Wirtschaftsvertretern in München. Der Kanzler sprach von einem "schrecklichen Vorfall in meiner Heimatstadt Hamburg". "Wir sind fassungslos angesichts dieser Gewalt", sagte er.

Ralf Peter Anders, Leiter der Staatsanwaltschaft Hamburg, sagte am Freitag in Hamburg vor Journalisten, es gebe keine Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund. Der mutmaßliche Täter sei bei der Polizei bislang nicht auffällig geworden.

Polizisten stehen vor einem Gebäude der Zeugen Jehovas in Hamburg, während ein Bestatter einen Leichensack auf einer Bahre aus dem Haus trägt.

Thomas Radszuweit, Leiter des Hamburger Staatsschutzes, sagte, der Mann habe die Gemeinde vor anderthalb Jahren verlassen. Es gebe Aussagen, dass er den Zeugen Jehovas freiwillig den Rücken gekehrt habe, andere Personen hätten angegeben, er sei ausgeschlossen worden. "Das Motiv für die Tat lässt sich derzeit noch nicht sicher feststellen", sagte er. Der Mann habe die Tatwaffe als Sportschütze legal besessen.

Der Hamburger Polizeipräsident Ralf Peter Meyer sagte, im Januar habe es einen anonymen Hinweis gegeben, wonach der Mann psychisch krank sein könnte und somit nicht geeignet sei, eine Waffe zu besitzen. Er soll dem Hinweis zufolge eine besondere Wut auf religiösen Anhänger gehabt haben, besonders auf die Zeugen Jehovas, und seinen ehemaligen Arbeitgeber.

Täter bereits von Polizei verwarnt worden

Bei Recherchen der Waffenbehörde und einem anschließenden Gespräch mit dem Mann bei einer unangekündigten Kontrolle im Februar hätten sich jedoch keine weiteren Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung ergeben. Der 35-Jährige sei kooperativ gewesen und habe sich einsichtig gezeigt, als ihn die beiden Polizeibeamten wegen eines Projektils außerhalb des für Waffe und Munition vorgesehenen Tresors verwarnt hätten. "Die rechtlichen Möglichkeiten der Beamten waren damit ausgeschöpft", sagte Meyer.

Der Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD) lobte den Einsatz der Polizei vom Donnerstagabend. Wenige Minuten nach den ersten Notrufen seien Einsatzkräfte vor Ort gewesen, die zufällig in der Nähe und gerade dabei gewesen seien, ihren Dienst zu beenden. Es sei davon auszugehen, dass sie vielen Menschen das Leben gerettet hätten. "Das ist das schlimmste Verbrechen in der jüngsten Geschichte unserer Stadt", sagte Grote.

Weitere Politiker und Repräsentanten der Kirchen äußerten sich bestürzt über die Tat. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach den Betroffenen seine "tiefe Anteilnahme an diesem Tag des Schmerzes" aus. Für den Nachmittag wurde Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Tatort in Hamburg erwartet.

Die Zeugen Jehovas äußerten sich "tief betroffen". "Unser tiefes Mitgefühl gilt den Familien der Opfer sowie den traumatisierten Augenzeugen", heißt es in einer Stellungnahme von Jehovas Zeugen in Deutschland auf der Website der Glaubensgemeinschaft.

Auch die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs zeigte sich erschüttert: "Diese furchtbare Gewalttat lässt uns fassungslos zurück", erklärte die evangelische Theologin. Der Generalvikar des katholischen Erzbistums Hamburg, Pater Sascha-Philipp Geißler, erklärte, die Nachrichten zur Tat seien "erschütternd und machen mich sprachlos"