"Erster Missionar auf Sulawesi wurde getötet"

Toraja-Bergland mit großem Kreuz
© Corinna Waltz
Bei Nacht sogar beleuchtet, begrüßt ein großes Kreuz alle, die in das Toraja-Bergland auf der indonesischen Insel Sulawesi kommen.
Indonesierin über ihre Kirche
"Erster Missionar auf Sulawesi wurde getötet"
An vielen Orten der Welt ist Missionsgeschichte auch Kolonisationsgeschichte. Die Arbeit von Missionaren, die das Licht Christi bringen wollten, stand nicht selten im Gegensatz zu den ausbeuterischen Zielen der Kolonialmächte und doch war beides eng miteinander verwoben – teilweise mit Auswirkungen bis heute. Wie löst man einen solchen Identitäts-Konflikt in der eigenen Kirche auf? Pfarrerin Dr. Henriette Hutabarat Lebang aus Indonesien beschreibt im Kurzinterview, wie die Kirche in Toraja mit diesem Widerspruch umgeht.

Eckhard Zemmrich: Ihre Heimatkirche in Südsulawesi wurde von europäischen Missionaren gegründet. Im Gegensatz zu den Gründern der frühen Kirchen des Christentums, wie Paulus oder Petrus, arbeiteten diese Gründer in einer Zeit, die vom europäischen Kolonialismus geprägt war. Obwohl es also Ihre Kirche und Ihre Geschichte ist, besteht ein Teil ihrer Identität darin, dass sie ihre Anfänge in der Kolonialzeit hat. Ich nehme an, dass dies zu einem Widerspruch im kollektiven Gedächtnis und Selbstverständnis führen könnte. Wenn ja, wie gehen Sie damit um? Wenn nicht, wie gelingt es Ihnen, dies zu vermeiden?

Dr. Henriette Hutabarat Lebang: Die Missionare, die in das Toraja-Land, ein Gebiet in Südsulawesi, Indonesien, kamen, wurden vom Gereformeerde Zendingsbond (GZB) aus den Niederlanden entsandt. Der erste Missionar kam im Jahr 1913. Davor gab es nur einige wenige Pastoren, die von der indischen Kirche der niederländischen Kolonialmacht entsandt wurden. Letztere schickte auch christliche Lehrer*innen aus einigen anderen Gebieten Indonesiens, nämlich den Molukken, Sangir und Manado. Diese Arbeit wurde von den GZB-Missionaren fortgesetzt, die sich auf die Bereiche Bildung und Gesundheit konzentrierten.
Zu Beginn gab es einen starken Widerstand der Bevölkerung gegen die Missionare, die aus den Niederlanden kamen und leicht mit der niederländischen Kolonialmacht in Verbindung gebracht wurden. Der erste Missionar, Aris van de Loosdrecht, wurde von den lokalen Führern getötet, als diese in den verschiedenen Teilen des Toraja-Landes gegen die niederländische Kolonialmacht kämpften. Die Strategie der holländischen Kolonialmacht und der Missionare, die sich zuerst an die obersten Anführer der Gemeinschaft wandten, ebnete ihnen den Weg, sich mit den Menschen zu beschäftigen, insbesondere durch Bildung und Gesundheit.
Diese Arbeit hatte einen starken Einfluss auf das Leben der Menschen. Bis heute wissen die Menschen die harte Arbeit der Missionare zu schätzen, die von weit her in das Land Toraja kamen und kilometerweit liefen, um die Menschen in den Dörfern zu erreichen und sie aus der Dunkelheit ins Licht zu führen. Sie arbeiteten eng mit den örtlichen Häuptlingen zusammen und wurden daher von den Menschen willkommen geheißen und konnten Konflikte minimieren. Langsam können die Menschen die Ziele der niederländischen Kolonialmacht von der Arbeit der Missionare unterscheiden.

Dr. Henriette Hutabarat Lebang ist unter anderem Mitglied im ÖRK-Zentralausschuss.

Wie erfolgreich war Ihrer Meinung nach der Dekolonisationsprozess der in Ihrer Region tätigen Missionen?

Hutabarat Lebang: Der Dekolonisationsprozess in unserer Region ging Hand in Hand mit dem Kampf des Volkes gegen die niederländische und später die japanische Kolonialmacht – für die nationale Unabhängigkeit, die 1945 erreicht wurde. Als die Missionare aus dem Land gejagt wurden, übernahmen die örtlichen Kirchenleitungen sofort die Führung der Kirche. Im Jahr 1947 wurde die Toraja-Kirche als unabhängige Synode gegründet. Theologie und Ordnung dieser neuen Kirche waren anfangs stark von den Lehren des GZB geprägt. Mit der Zeit gelang es der Kirche jedoch, sich von dem starken Einfluss des GZB zu lösen und eine eigene Theologie und Ordnung zu entwickeln. In diesem Bemühen hat die Kirche versucht, viele Fragen zum Verhältnis von Evangelium und Kultur zu beantworten und so eine kontextuelle Theologie entwickelt.

"Mit der Zeit gelang es der Kirche eine eigene Theologie und Ordnung zu entwickeln."

Gibt es heute noch Verbindungen zwischen Ihrer Kirche und ihren Gründungsmissionen? Sind diese Beziehungen von Gleichberechtigung geprägt, oder gibt es immer noch die Gefahr des Neokolonialismus?

Langsam aber sicher haben sich heute die Beziehungen zwischen der Toraja-Kirche und dem GZB zu einer Partnerschaft entwickelt. Theologisch und finanziell ist die Toraja-Kirche völlig unabhängig. Ich sehe keine Möglichkeit, dass sich in der Beziehung zwischen der Toraja-Kirche und ihrer Gründungsmission ein Neokolonialismus entwickelt.

evangelisch.de dankt der Evangelischen Mission Weltweit (EMW) für die Zusammenarbeit.